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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Menschen willen, der einmal heimlich in seiner Brust geatmet, um »sa vie a vingt ans«, um sich, den Zwanzigjährigen, noch einmal leidenschaftlich zu erleben, hat der fünfzigjährige Henri Beyle diese Romane geschrieben. Als ein wissender, kühler und enttäuschter Geist erzählt er in ihnen die Jugend seines Herzens, als kunstwissender, klarer Intellektualist schildert er die ewige Romantik des Anbeginns. So vereinen die Romane wunderbar den Urgegensatz seines Wesens; hier ist mit der Klarheit des Alters die edle Verwirrung der Jugend gestaltet und Stendhals Lebenskampf zwischen Geist und Gefühl, zwischen Realismus und Romantik sieghaft ausgefochten in drei unvergeßlichen Schlachten, jede so dauerhaft dem Gedächtnis der Menschheit wie Marengo, Waterloo und Austerlitz.
    Diese drei Jünglinge, obzwar verschiedenen Schicksals, anderer Rasse und anderen Charakters, sind Brüder im Gefühl: ihr Schöpfer hat ihnen das Romantische seines Naturells vererbt und zu entfalten gegeben. Und ebenso sind ihre drei Gegenspieler einer; der Graf Mosca, der Bankier Leuwen und der Comte de la Môle, sie sind abermals Beyle, aber der ganz zu Geist kristallisierte Intellektualist, der späte, der kluggewordene alte Mann, in dem von den Röntgenstrahlen der Vernunft allmählich alle Idealitäten ausgebrannt und vertilgt sind. Diese drei Gegenspieler zeigen symbolisch, was das Leben aus dem Jüngling schließlich macht, wie der »exalté en tout genre se dégoûte et s’éclaire peu à peu« (Henri Beyle über sein eigenes Leben). Das heroische Schwärmertum ist abgestorben, nun ersetzt die triste Überlegenheit der Taktik und Praktik den zauberischen Rausch, eine kalte Spiellust die elementare Leidenschaft. Sie regieren die Welt, Graf Mosca ein Fürstentum, der Bankier Leuwen die Börse, der Graf de la Môle die Diplomatie, aber sie lieben nicht die Marionetten, die an ihren Schnüren tanzen, sie verachten, eben weil sie zu nah, zu deutlich ihre Erbärmlichkeit kennen, die Menschen. Noch vermögen sie Schönheit und Heroismus nachzufühlen, aber nachzufühlen nur, und würden alle ihre Erfüllungen tauschen gegen die dumpfe, wirre, ungeschickte Sehnsüchtigkeit der Jugend, die nichts erlangt und ewig alles erträumt. Wie Antonio, der kaltwissende, kluge Adelsmensch neben Tasso, dem jungen und glühenden Dichter, so stehen diese Prosaisten des Daseins halb hilfreich und halb feindlich, halb verächtlich und im geheimsten doch neidisch dem jugendlichen Rivalen entgegen wie der Geist dem Gefühl, wie die Wachheit dem Traum.
    Zwischen diesen beiden ewigen Polen des männlichen Schicksals, der knabenhaft wirren Sehnsucht nach Schönheit und dem sichern, ironisch überlegenen Willen zur realen Macht, kreist die Stendhalsche Welt. Den Jünglingen, den scheu und brennend Begehrenden, treten Frauen entgegen, sie fangen ihre brausende Sehnsucht auf in klingender Schale, sie besänftigen durch die Musik ihrer Güte die zornige Unerlöstheit ihres Verlangens. Rein lassen sie ihr Gefühl entlodern, diese milden, selbst in der Leidenschaft noch edlen Frauen Stendhals, die Madame de Rênal, die Madame de Chasteller, die Duchezza di Sanseverina; aber selbst heilige Hingabe kann ihren Geliebten nicht die erstlingshafte Reinheit der Seele bewahren, denn bei jedem Schritt ins Leben treten diese jungen Menschen tiefer in den Morast der menschlichen Gemeinheit. Ihnen entgegen, dem erhebenden, die Seele süß ausweitenden Element der heroischen Frauen, steht hier wie immer die gemeine Wirklichkeit, das pöbelhaft Praktische, das schlangenkluge, schlangenkalte Gezücht der kleinen Intriganten, der Streber – der Menschen kurzweg, wie sie Stendhal in seinem Verachtungsgrimm gegen das Mittelmäßige zu sehen beliebt. Während er die Frauen aus der romantischen Optik seiner Jugend verklärt, als alter Mann noch immer verliebt in die Liebe, stößt er gleichzeitig mit dem ganzen aufgestauten Zorn den Klüngel der niedern Schächer in die Handlung wie zur Schlachtbank hinein. Aus Dreck und Feuer formt er diese Richter, Staatsanwälte, Ministerchen, Paradeoffiziere, Salonschwätzer, diese kleinen Klatschseelen, klebrig und nachgiebig jeder einzelne wie Kot, aber: ewiges Verhängnis! all diese Nullen zusammengereiht schwellen zu Zahl und Überzahl, und wie immer auf Erden, gelingt es ihnen, das Sublime zu erdrücken. So wechselt innerhalb seines epischen Stils die tragische Melancholie des unheilbaren Schwärmers mit der dolchhaft zustoßenden Ironie des

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