Steh dir nicht im Weg
(beispielsweise Paul Ekman in seinem Buch
Gefühle lesen
). Wenn man nichts tun kann als abzuwarten, stellen sich entweder Gefühle von Panik oder von völliger Resignation ein.
Was steckt dahinter, dass sich Menschen hinsichtlich ihrer Stressbelastbarkeit so unterscheiden? Es gibt Menschen, deren Belastungsschwelle sehr hoch ist, die also eine sehr geringe Stressanfälligkeit besitzen. Das heißt, sie reagieren weniger schnell und viel schwächer auf Stress auslösende Situationen und erholen sich schneller davon. Durch ihre Fähigkeit, schnell wieder zu entspannen, erkranken sie deutlich seltener an Stressfolgen.
Menschen mit geringerer Belastbarkeit hingegen scheinen dauernd unter Hochspannung zu stehen. Das schädigt ihren Organismus, der zu schnell, zu lang andauernd und zu intensiv reagiert. Die enge Beziehung zwischen Krankheit und Stress wurde seit den siebziger Jahren gründlich erforscht. Dabei wurde eine erhöhte Anfälligkeit für die verschiedensten Erkrankungen als Folge von chronischem Stress festgestellt, z.B. Herz-Kreislauf-Beschwerden, Magenkrankheiten, Rückenschmerzen, Migräne, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, um nur einige zu nennen. Wenn man nun davon ausgeht, dass es nicht die Ereignisse als solche sind, die den Stress verursachen, sondern die inneren Bewertungen dieser Ereignisse, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass es die verschiedenen Denkstrategien sind, die für die Unterschiede verantwortlich sind. Und Stress beginnt ja auch nicht erst in wirklich wichtigen Lebenssituationen, |39| wo es vielleicht um folgenschwere Entscheidungen geht, sondern auch schon bei ganz harmlosen und alltäglichen Dingen. Eine Situation etwa wie in dem folgenden Beispiel:
Beispiel: Eine Frau bereitet ein Abendessen mit Gästen vor. Sie möchte, dass dieses Abendessen ein voller Erfolg wird – nicht etwa, weil ihr Chef oder der ihres Mannes käme, sondern weil sie findet, dass alle ihre Freundinnen wunderbare Gastgeberinnen sind und sie da unbedingt mithalten muss. Sie fürchtet aber insgeheim, es nicht zu können, und das setzt sie unter Druck. In ihrem Kopf jagen sich folgende Gedanken: »Hoffentlich gelingt mir der Fisch! Warum habe ich mir aber auch so etwas Heikles wie Fisch ausgesucht! Das Essen bei Waltraud neulich war dermaßen lecker, das schaffe ich im Leben nicht, das so hinzukriegen. Und hoffentlich gerät mir der Reis nicht wieder so pappig wie beim letzten Mal – da würde ich mich in Grund und Boden schämen. Habe ich auch genügend Sekt und Wein kalt gestellt? Oh mein Gott, hoffentlich wollen nicht alle Bier trinken – ich glaube, ich habe gar nicht genügend Bier im Haus. Ob die Vorspeisen ausreichen? Nichts ist schlimmer, als wenn zu wenig da ist, sieht ja aus, als würde man knausern! Ich glaube, ich sollte doch noch mal losgehen und beim Italiener zusätzliche Antipasti besorgen. Das wird dann aber sehr knapp mit der Zeit! Warum schaffe ich es eigentlich niemals, so eine Kleinigkeit wie ein Abendessen mit Freunden richtig vorzubereiten? Das kann doch wirklich jeder, nur ich bin unfähig dazu! Schrecklich – ich sollte eigentlich nie mehr jemanden einladen, ich kann das einfach nicht.«
Wenn jetzt noch irgendeine Kleinigkeit schief geht oder etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommt, ist die »Katastrophe« – denn als solche wird es empfunden – perfekt. Wehe, das Kind braucht ausgerechnet an diesem Tag Hilfe bei den Hausaufgaben oder der Ehemann erwartet, dass man ihn mit dem Auto von der Firma abholt, weil sein Fahrrad einen Platten hat: Die Familie kann sich dann auf einen gefühlsstarken Ausbruch gefasst machen.
|40| Auf diese Art und Weise kann aus einem harmlosen Ereignis ziemlich schnell eine Situation werden, die man nur noch als unangenehm und bedrückend erlebt – purer Stress eben! Die Freundinnen unserer Gastgeberin, die solch ein Abendessen so wunderbar hinkriegen, gehen vermutlich sehr viel lockerer mit der gleichen Situation um, und wahrscheinlich ist das das Geheimnis ihres Erfolges. Sie machen sich weder Gedanken über ihre vorhandenen oder mangelnden Fähigkeiten, noch glauben sie, dass der Erfolg eines Abends mit Freunden davon abhängt, ob der Reis gelungen ist oder nicht. Sie bewerten solch einen Abend nicht als einen Prüfstand für ihr Talent als Köchin und Gastgeberin, sondern freuen sich einfach darauf, mit netten Menschen zusammen zu sein.
Wenn solche belastenden Episoden sich häufen und jemand viele Anforderungen, die an ihn gestellt
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