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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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Angst vor ihm hatte. Sie will es ihm immer noch recht machen. Manchmal denke ich, dass meine Mutter zu gut ist für diese Welt.
    Was ich jedoch gelernt habe, ist, anderen Menschen ihr Verhalten in Bezug auf meine Situation nicht mehr übel zu nehmen. Ich kann es bedauern, doch ich werde es nicht ändern können. Mit Zorn und Aufregung bewirke ich nichts, außer mich selbst kaputt zu machen. Wenn ich alle Enttäuschungen ständig in meinem Kopf und meinem Herzen hätte, müsste ich vor Wut platzen. Ich habe mich lieber dafür entschieden, es nicht zu tun. Jeder Mensch ist für sein Verhalten selbst verantwortlich, ich habe gar nicht das Recht, anderen zu sagen, wie sie sich mir gegenüber zu verhalten haben.
    Ich habe keine Lust, dauerhaft böse auf andere Menschen zu sein. Dafür ist mein Leben zu schade. Ich möchte anderen Menschen lieber helfen, das zu sein, was sie sein können. Dafür engagiere ich mich im Sport schon seit Jahren. Seit 2010 unterstütze ich etwa eine Aktion des Ulmer Jugendamtes: »Box for life«. Sie wendet sich an Jugendliche, die es im Leben schwer haben und wenig Perspektiven für sich sehen. Einmal pro Woche bekommen sie ein Boxtraining, das von Sozialpädagogen begleitet wird. Einmal in der Woche komme auch ich zum Training dazu. Die Jugendlichen lernen dabei aber nicht nur boxen, sondern auch, sich in einer Gruppe anständig zu benehmen. Sie lernen Respekt vor anderen und mit den Werten des Boxens auch Werte fürs Leben. Boxen bedeutet ja nicht, riesige Muckis zu haben, in den Ring zu steigen, jemanden k. o. zu schlagen und fertig. Beim Boxen geht es um Fairness, um Taktik, ums Einstecken und Austeilen, um Sport, um Disziplin und immer um Respekt. Das lernen die Jugendlichen im Training, denn sie hauen dabei nicht einfach auf einen Sandsack, sondern müssen ihre Köpfe einschalten und auch auf die anderen eingehen.
    Da trifft derjenige, der auf dem Schulhof immer Prügel bezieht, auf denjenigen, der eine große Klappe hat und schnell handgreiflich wird. Der Schüchterne muss aus sich herauskommen, der Rabauke muss Bitte und Danke sagen. Alle sind im Training gleichberechtigt, alle müssen aufeinander zugehen. Das bringt sehr viel. Und mehr als die schlauen Sprüche der Sozialpädagogen.
    Ich habe auch schon einzelne Box-Workshops für bis zu 140 Kinder gegeben. Das hat mir viel Spaß gemacht. Kinderprojekte liegen mir überhaupt sehr am Herzen. In meinem Verletzungsjahr musste ich auch bei diesen Projekten pausieren, bin aber 2012 wieder bei dem Jugendamtsprojekt miteingestiegen. Es hat mich sehr gefreut, dass einige der Jugendlichen richtig große boxerische Fortschritte gemacht haben. Inzwischen engagiere ich mich auch in einem Projekt für die »Bio-Brotbox«, bei dem es darum geht, dass Kinder vor der Schule ein gesundes Frühstück brauchen und in den Pausen hochwertige, gesunde Snacks statt Süßigkeiten essen sollten.
    Auch dadurch, dass ich anderen Menschen Mut zuspreche, kann ich helfen. Über Facebook melden sich viele Leute bei mir, die ebenfalls harte Schicksalsschläge erlitten haben und mir sagen, wie sehr sie meine Kraft bewundern, meinen Kampfgeist – und dass ich mich nicht habe unterbuttern lassen. Die Geschichten berühren mich oft sehr. Es meldete sich etwa eine Mutter, deren 15-jährige Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist und die sich im Prozess dem Unfallverursacher stellen musste, wie ich mich meinem Vater stellen musste. Sie bat um aufmunternde Worte. Ich schrieb ihr, dass sie ihrer Tochter gegenüber kein schlechtes Gewissen haben müsse, wenn sie trotz dieses unglaublichen Verlustes am Leben teilnehme. Dass sie sich nicht verkriechen solle, sondern ihr Leben in Angriff nehmen, denn das wäre das, was ihre Tochter wollte. Ich schrieb der Frau eine sehr, sehr lange Mail mit vielen Gedanken. Nicht jedem, der mir schreibt, kann ich antworten, aber in solchen Fällen ist es mir ein Bedürfnis, den Leuten Mut zuzusprechen, wenn sie sich schon an mich wenden. Wenn ich ihnen helfen kann, zu einer positiven Lebenseinstellung zu finden, dann tue ich das gerne. Wenn ich mit meiner Geschichte schon so viel Aufmerksamkeit bekomme, dann kann ich diese Aufmerksamkeit auch nutzen, um die Menschen zu erreichen und Gutes zu tun.
    Auch wenn es vielleicht sonderbar klingt: Ich bin tatsächlich froh, dass mir das alles passiert ist. Ich war stark genug, um das Geschehene wegzustecken. Als Einzige aus meiner Familie konnte ich dieses Leid auf mich nehmen, ohne zu

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