Steife Prise
Vorstellung schien die Laune des Obersten sichtlich zu heben. »Wissen Sie was, Kommandeur«, sagte der Alte lächelnd, »ich glaube, dass eingelegte Garnelen, wenn sie mit dem erforderlichen Respekt behandelt werden, letztendlich doch noch meine besten Freunde werden könnten.«
Der Oberst streckte Mumm die Hand entgegen. Mumm schüttelte sie und sagte: »Bon appétit.«
Hinterher gab es mehrere Erklärungen dafür, warum der Wagen aus Quirm mit dem überaus wichtigen Gefangenen mitten in der Nacht umgekippt, einen sehr steilen Abhang hinuntergerollt und dabei zu Bruch gegangen war. Man konnte die Dunkelheit dafür verantwortlich machen oder den Nebel, man konnte es auf die hohe Geschwindigkeit schieben oder auf die Tatsache, dass die Expresspostkutsche aus Ankh-Morpork den Wagen mitten in der engen Kurve gerammt hatte.
Bis die Verletzten allmählich kapierten, was passiert war, hatten sie einen Gefangenen weniger, der die Schlösser seiner Hand- und Fußfesseln offensichtlich geknackt hatte, und einen Wächter mit durchgeschnittener Kehle mehr.
Es war dunkel, es war kalt, es war neblig. Die Überlebenden kauerten sich eng aneinander und warteten auf das Morgengrauen. Wie sollte man in dieser Dunkelheit einen Entflohenen finden?
Straßfurt kam schnell voran. Geschwindigkeit war immer von Vorteil, und er hielt sich auf der Straße, die in dieser Milchsuppe gerade noch zu erkennen war. Es spielte keine Rolle, wohin er ging, denn er kannte niemanden, der jemals eine aussagekräftige Beschreibung von ihm hätte abgeben können. Es war ein Geschenk, unbeschreiblich zu sein.
Trotzdem hörte er nach einer Weile zu seiner Verwunderung und großen Freude, dass ein Pferd auf der Straße hinter ihm hergetrabt kam. Irgendein mutiger Reisender, dachte er, lächelte in den Nebel und wartete. Was ihn noch mehr verwunderte, war, dass das Pferd ein Stück von ihm entfernt stehen blieb und der Reiter sich aus dem Sattel schwang. In der leicht schimmernden, mit Feuchtigkeit gesättigten Luft konnte Straßfurt die Gestalt kaum ausmachen.
»Sieh da! Der berühmte Herr Straßfurt«, sagte eine vergnügte Stimme, als der Fremde lässig auf ihn zugeschlendert kam. »Und ich sag’s Ihnen gleich, wenn Sie auch nur eine falsche Bewegung machen, sind Sie so tot, dass Sie kein Friedhof mehr aufnimmt.«
»Ich kenne Sie! Mumm hat Sie geschickt! Hinter mir her!«
»Aber nein«, erwiderte Willikins. »Der Kommandeur weiß nicht mal, dass ich hier bin, und er wird es auch nie erfahren, so viel ist gewiss. Nein, mein Herr, ich bin sozusagen aus Berufsstolz hier. Nebenbei bemerkt, falls Sie daran denken, mich umzubringen und mein Pferd zu nehmen, wäre ich Ihnen sehr verbunden, das jetzt gleich zu versuchen.«
Straßfurt zauderte. Irgendetwas in dieser Stimme legte einem ein Zaudern sehr nahe. Sie war gefasst, freundlich und … beunruhigend.
Willikins schlenderte ein Stück näher und sagte nach einem leisen Kichern: »Ich wäre, ehrlich gesagt, einem kleinen Gerangel selbst nicht abgeneigt, und als ich erfahren habe, wie Sie dieses Mädchen zerstückelt haben und so weiter, da dachte ich mir: meine Güte!, dachte ich. Und so kam es, dass ich an meinem nächsten freien Gleittag – wenn man, wie ich, auch an Feiertagen arbeitet, sollte man unbedingt auf einem Gleittag bestehen – einen kleinen Ausflug nach Überhang machte, wo ich das eine oder andere über Sie herausgefunden habe. Und sogar noch ein bisschen mehr. Sie jagen den Leuten wirklich Angst ein, stimmt’s?«
Straßfurt zauderte immer noch. Das alles hörte sich irgendwie falsch an. Der Mann sprach mit ehrlicher und heiterer Stimme, so wie jemand, den man kaum kannte, der einen aber trotzdem in der Kneipe wie ein alter Kumpel anquatschte. Dabei war Straßfurt daran gewöhnt, dass die Leute, wenn sie mit ihm redeten, immer sehr nervös waren.
»Also«, sagte Willikins, »ich bin auf der Straße aufgewachsen und habe mich dort geprügelt. Ich kenne alle dreckigen Tricks, verlassen Sie sich drauf, und ich kämpfe mit jedem, aber ich habe noch nie ein Mädchen auch nur geknufft … Na ja, mit Ausnahme der Abartigen Elsie vielleicht, die für solche Sachen immer zu haben war, und einmal hatte sie mich voll am Das-erzähl-ich-Ihnen-doch-nicht, und mir waren die Hände gebunden, in mehr als einer Hinsicht, und deshalb musste ich ihr dann doch einen kräftigen Knuff mit dem Fuß verpassen. Tja, die guten alten Zeiten. Aber Sie? Sie sind einfach nur ein Killer. Wertlos. Ein Schläger
Weitere Kostenlose Bücher