Steife Prise
das denn nicht? Schließlich ist damit doch alles gesagt, was man wissen will, oder? Er zog seinen roten Stift hervor. Gerade als er ihn auf das jämmerliche Manuskript setzte, ertönten Schritte auf der Metalltreppe. Herr de Worde, der Herausgeber der Zeitung, kam in das Büro gewankt und sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen – oder vielleicht eher so, als hätte ein Gespenst ihn gesehen.
Er sah die beiden verdutzten Männer erschöpft an und stieß mühsam hervor: »Hat Modersohn sein Zeug schon hergeschickt?«
Der Chefkorrektor hielt ihm das anstößige Zeug vor die Nase. »Ja, hat er, Chef. Ein Haufen Mist ist das, wenn Sie mich fragen.«
De Worde schnappte sich die Seite, las sie durch, wobei sich seine Lippen bewegten, und stieß sie seinem Gegenüber wieder vor die Brust. »Wagen Sie es bloß nicht, auch nur ein einziges Wort zu verändern. Auf die Titelseite, Floh, und ich kann nur hoffen, dass Otto einen Ikonographen hat.«
»Ja, Chef, aber – «
»Keine Widerrede!«, schrie de Worde. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich bin in meinem Büro.«
Er polterte die Treppe wieder hinauf. Sein Korrektor und dessen Stellvertreter blieben zurück und lasen mit finsteren Mienen Kurt-Georg Modersohns Artikel noch einmal. Er fing so an:
Aus welchen Gefilden kam sie, diese ätherische Musik, aus welch verborgener Grotte, welch geheimer Klause? Aus welcher finsteren Höhle? Aus welchem Fenster zum Paradies? Wir sahen die zerbrechliche Gestalt im Scheinwerferlicht, und die Musik ergoss sich über uns, hier besänftigend, dort segensreich, manchmal anklagend. Jeder von uns sah sich seinen Gespenstern, Dämonen und alten Erinnerungen gegenüber. Die Darbietung von Tränen-des-Pilzes, einer jungen Dame aus dem Geschlecht der Goblins, dauerte kaum eine halbe Stunde, vielleicht aber auch eine ganze Lebensspanne, und kaum war sie vorüber, machte sie einer Stille Platz, die sich ausdehnte und anschwoll und so groß wurde, dass sie letztendlich explodierte. Bis auf den letzten Zuschauer erhob sich das Publikum, klatschte sich die Hände wund, Tränen rannen über unsere Gesichter. Wir waren irgendwohin entführt und wieder zurückgebracht worden, und wir waren wie verwandelt, sehnten uns nach einer weiteren Reise ins Paradies, ohne Acht auf die Hölle, die wir auf dem Weg dorthin durchleiden müssten.
Der Chefkorrektor und sein Stellvertreter sahen einander mit einem Ausdruck an, den Kurt-Georg mit Sicherheit als »ungestümen Argwohn« bezeichnet hätte. Schließlich brummte der Chefkorrektor: »Ich glaube, es hat ihm gefallen.«
Drei Tage vergingen. Es waren sehr arbeitsreiche Tage für Mumm. Er musste wieder in die Gänge kommen, obwohl es letztendlich eher darum ging, von einem Getriebe ins andere zu wechseln, während beide gleichzeitig in Betrieb waren. Es gab so viel Papierkram zu lesen! So viel Papierkram beiseitezuschieben! So viel Papierkram zu delegieren! So viel Papierkram, den er angeblich überhaupt nicht bekommen hatte oder der womöglich von den Wasserspeiern gefressen worden war.
Heute jedoch, im Rechteckigen Büro, war Lord Vetinari kurz davor, laut loszupoltern. Man musste ihn zugegebenermaßen gut kennen, um das zu bemerken. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Snarkenfaugister? Das saugt sie sich doch aus den Fingern!«
Drumknott setzte vorsichtig eine Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch seines Dienstherrn ab. »Ach, leider gibt es so ein Wort wirklich. In Nothingfjord wird damit der Hersteller kleiner, aber notwendiger Gegenstände bezeichnet, wie zum Beispiel Fidibusse oder sehr kleine Wäscheklammern für drinnen oder halblange Cocktail-Spieße für Leute, die keine Longdrinks mögen. Man könnte den Ausdruck als von historischem Interesse bezeichnen, denn meine Recherche heute Vormittag hat ergeben, dass der letzte bekannte Snarkenfaugister vor siebenundzwanzig Jahren gestorben ist, und zwar bei einem sehr ungewöhnlichen Unfall mit einem Bleistiftspitzer. Außerdem stammt Eure Kreuzworträtselwidersacherin selbst aus Nothingfjord.«
»Aha! Da haben wir’s ja! Diese langen Winter, an denen sie bloß um den Ofen herumsitzen! Diese grässliche Geduld! Dabei hat sie doch diese Tierhandlung in den Pellicostufen! Hundehalsbänder! Mehlwürmer! Was für eine Verschlagenheit! Was für miese Tricks! Was für ein Vokabular! Snarkenfaugister!«
»Sie ist inzwischen die Oberkreuzworträtselerfinderin der Times, und ich vermute mal, dass so was einfach dazugehört.«
Lord
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