Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Vorsprung wurde zur grinsenden Fratze. Fast konnte man meinen, gierige Klauen reckten sich in die Höhe. Eiseskälte griff nach den Herzen der Menschen.
    Die Sonne verschwand hinter düsteren Wolken. Ein Geruch wie von Schwefel lag plötzlich in der Luft. Weit im Norden schien ein Unwetter zu toben.
    Mistra begann zu zittern. Für einen Moment schloss sie die Augen und lauschte in sich hinein. Sie hatte Angst, hatte zu lange gezögert, den entscheidenden Schritt zu tun. Nun konnte sie es nicht mehr.
    Das Mädchen spürte die Bretter unter seinen Füßen beben. Ein heftiger Wind streifte ihren Nacken und wirbelte das schulterlange Haar mit sich.
    »Mistra! Sieh dich vor!«
    Erst die gellende Stimme ihres Vaters riss sie aus der beginnenden Gleichgültigkeit. Da war etwas, nur wenige Schritte von ihr entfernt, das spürte sie ganz deutlich. Und noch während sie die Augen öffnete, schlug ihr stinkender Atem entgegen.
    Ein schleimiger, dunkelbrauner Körper glitt über die Felsen, ein Schädel, so breit wie eine Elle lang, reckte sich drohend empor. Mistra blickte in ein weit aufgerissenes Maul, aus dem ihr mehrere Reihen nadelscharfer Zähne entgegenfunkelten.
    »Nein!« kreischte sie auf. Ihre Hand tastete nach dem Dolch, der in ihrem Gürtel steckte. Doch der kühle Griff der Waffe konnte sie nicht beruhigen.
    Die Schnecke – es war eine jener Bestien, die kein Gehäuse mit sich herumschleppten und deshalb in ihren Bewegungen schneller waren – schob sich auf die Brücke. Ihre Fühler tasteten bereits nach Mistra.
    »Her zu mir, Tochter!« rief Rochad entsetzt aus.
    Einer seiner Männer stand plötzlich neben dem Mädchen. Noch während er mit dem Schwert zuschlug, packte er Mistra an der Schulter und stieß sie zurück. Sie taumelte und wäre wohl gestürzt, hätte nicht Rochad im letzten Moment noch zugreifen können.
    Von überall her ertönten nun die schrillen Laute der Schnecken. Als die Sonne für kurze Zeit durch die Wolken brach, sah man ringsum an den Hängen wohl ein Dutzend dieser großen Tiere. Zielstrebig kamen sie näher, und einige waren bereits am Ende der Brücke, wo eine Leiter aus Stricken und Brettern hinabführte auf die wie verbrannt wirkende Straße des Bösen.
    »Diesmal meinen sie es verdammt ernst«, stieß jemand hervor. »Wir müssen uns durchschlagen, solange dies noch möglich ist, denn allein ihr Gewicht kann uns in die Tiefe reißen.«
    Aber der Weg führte an der Schnecke vorbei, die sich mittlerweile fast zur Gänze auf die Brücke geschoben hatte und gegen die ein Schwert allein nicht viel auszurichten vermochte. Fatal war, dass schon zwei Mann, die nebeneinander kämpften, sich gegenseitig behinderten. Zudem verstand die Bestie es, ihre Fühler wie Keulen schwingen zu lassen.
    Eine unbedachte Bewegung, ein flüchtiger Augenblick der Ablenkung, und der Mann, der Mistra vorhin zurückgestoßen hatte, verschwand mit einem gellenden Aufschrei im düster gähnenden Abgrund.
    »Wohin?«
    Niemand wusste eine Antwort auf die in höchster Verzweiflung ausgestoßene Frage.
    Die einzige Lanze, die sie mit sich führten und die geeignet gewesen wäre, die Tiere auf Distanz zu halten, bohrte sich in den Rumpf einer der Schnecken, die von der Seite her angriffen. Der Schaft splitterte, bevor Rochad die Waffe wieder an sich bringen konnte.
    Die schmale Brücke schwankte heftiger. Nach Halt suchend, verlor Mistra ihren Dolch. Sie sah, dass die Schwerter der anderen sich in zuckende Leiber bohrten, doch mit einemmal erschien ihr alles sinnlos.
    Blut und Schleim verwandelten das Holz allmählich in eine gefährliche Rutschbahn. Erneut glitt einer der Männer aus und stürzte, wild mit den Armen rudernd, in die Tiefe.
    Es war hoffnungslos. Während die Schnecken zielstrebig näher kamen, mussten die vier Menschen, die noch am Leben waren, immer mehr darauf achten, keine unvorsichtigen Bewegungen zu machen. Dabei schien es fraglich, ob nicht ein schnelles Ende mit zerschmetterten Gliedern einem letztlich vergebenen Hoffen vorzuziehen war.
    Nur wenige Schritte von der Brücke entfernt wuchsen neue schroffe Felsen in die Höhe. Den Schnecken folgten die ersten Pflanzen, die nicht versteinerten und die man sonst nur auf dem Grund der Schluchten vorfand. Wie die Fangarme riesiger Kraken peitschten ihre Äste durch die Luft. Gierig griffen sie nach allem, was sich bewegte.
    Das Gesicht in die Handflächen vergraben, wartete Mistra auf das Ende, das unweigerlich kommen musste. Sie konnte es nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher