Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
Vom Netzwerk:
hatte, wieder losließ, wurde ihm bewußt, daß er diesen Zug ohne jedes Nachdenken ausgeführt hatte, und dennoch schien es ihm, daß dies nicht aufs Geratewohl geschehen war, sondern nach einem Plan, und als das Spiel nun in Gang kam, spürte er immer deutlicher, daß er jedesmal, wenn er am Zug war, genau wußte, welche Figur er auf welches Feld rücken mußte, ohne daß er hätte sagen können, was damit erreicht werden sollte.
    Wie dem auch immer sein mochte, es sah so aus, als renne er auf solche Weise blindlings in sein Unglück; denn Hunli schlug eine seiner Figuren nach der anderen aus dem Feld, ohne daß Lauscher selbst ihm hätte viel anhaben können. Hunlis Vergnügen an diesem Spiel wuchs mit jeder weißen Figur, die er vom Brett nahm. »Merkst du jetzt, worauf du dich eingelassen hast?« sagte er triumphierend, als schon ein beträchtlicher Teil von Lauschers Heerschar neben dem Brett aufgereiht stand, während er selbst nur drei Bauern verloren hatte.
    »Noch ist das Spiel nicht zu Ende«, sagte Lauscher, aber er begann daran zu zweifeln, ob es wirklich Arni war, der ihm hier die Hand führte. Vielleicht bildete er sich das nur ein, und in Wirklichkeit machte er wahllos irgendwelche Züge, die ihn Schritt für Schritt einem Sklavendasein bei den Beutereitern näher brachten. Er bekam Angst, und in diesem Augenblick bedrohte Hunli zum ersten Mal seinen König. Da es ihm ohne weiteres gelang, seinen König in Sicherheit zu bringen, faßte Lauscher wieder etwas Mut, doch der Khan begann nun mit einem entnervenden Katz-und-Maus-Spiel. Immer wieder geriet der weiße König in Gefahr, aber jedesmal fand sich wider alles Erwarten auch ein Ausweg aus dieser Lage, und das wiederholte sich so oft, daß Hunli schließlich nicht ohne Anerkennung sagte: »Du bist doch geschickter, als es zunächst den Anschein hatte. Aber bei diesem Stand des Spiels solltest du dir dennoch keine Hoffnungen machen.«
    Dazu hatte Lauscher wahrhaftig keinen Grund. Seine Streitmacht war inzwischen auf eine Handvoll Figuren zusammengeschmolzen, die sich gegen eine erdrückende Übermacht der Grünen zu behaupten versuchten, und es erschien fast wie ein Wunder, daß ihnen dies immer wieder gelang. Im Zelt war es mittlerweile drückend heiß geworden. Dem Khan stand der Schweiß auf der Stirn, und seine faltige Gesichtshaut begann sich zu röten. Lauscher spürte zwar auch die Wärme, doch zugleich spülte eine angenehme Erfrischung über seine Haut, als bade er an einem heißen Sommertag in einem fließenden Gewässer, und es schien ihm, daß diese Kühle von der Schuppe ausging, die auf seiner Brust lag. War dies doch nicht nur ein Stück Küchenabfall aus den Hütten der Karpfenköpfe? Lauscher begann sich zu fragen, ob ihm hier einer zu Hilfe kam, der seine Freundlichkeit nicht davon abhängig machte, daß man seine Macht anerkannte. Aber vielleicht erzeugte die Schuppe mit ihrer glatten Oberfläche auch nur eine Illusion von Kühle. Lauscher fand keine Zeit, sich weiter mit dieser Frage zu beschäftigen, denn Hunli legte es nun, wohl unter dem Zwang der ständig steigenden Hitze, darauf an, das Spiel so rasch wie möglich zu beenden. Ohne lange nachzudenken, ergriff er jede sich bietende Gelegenheit, um den weißen König immer aufs neue in Bedrängnis zu bringen oder Lauschers Figuren weiter zu dezimieren.
    Schließlich war das gesamte Bauernheer der weißen Seite aufgerieben, und Lauscher verfügte außer über König und Dame nur noch über drei weitere Figuren, denen auf Hunlis Seite noch immer eine dichte Phalanx gegenüberstand.
    Lauscher war sich der verzweifelten Lage durchaus bewußt, in die ihn seine Spielweise gebracht hatte, und er zögerte, als seine Hand wie von selbst nach einem Läufer griff, um ihn um zwei Felder zu verrücken. Doch dann sagte er sich, daß es jetzt zu spät sei, das Spiel aus eigener Überlegung weiterzuführen. Hatte Arni hier seine Hand im Spiel, dann mußte er ihm weiter vertrauen, selbst auf die Gefahr hin, daß er ihn für seine Beteiligung an Narzias Zauberwerk bestrafen wollte; hatte er sich das alles nur eingebildet, dann war er ohnehin verloren, und so führte er, wenn auch unter Zweifeln und Ängsten, diesen Zug aus. Seine Befürchtungen schienen sich nur allzu rasch zu bestätigen, denn Hunli schlug mit seinem nächsten Zug den Läufer aus dem Feld und sagte: »Deine Aufmerksamkeit läßt nach. Willst du nicht aufgeben?«
    Lauscher schüttelte den Kopf. Solange sein König nicht

Weitere Kostenlose Bücher