Steinbock-Spiele
Gedankenübertragungshelms gab.
»Setz ihn auf«, sagte er zärtlich.
»Ich habe Angst, Riik.«
»Hab’ keine. Was gibt es zu fürchten?«
»Mich selbst. Mein wahres Ich. Ich werde ganz geöffnet sein, Riik. Ich fürchte, was du in mir sehen magst, was es dir, was es uns antun könnte.«
»Ist es so häßlich in dir?« fragte er.
»Manchmal glaube ich es.«
»Manchmal glaubt das jeder von sich selbst, Juun. Da kommt der alte, neurotische Selbsthaß empor, der Müll, dem wir nicht entkommen können, bis wir geistig gänzlich gesund sind. Dergleichen findest du in mir auch, sobald wir die Helme aufhaben. Beachte es nicht. Es ist nicht wirklich da. Es wird in unserem Leben keine bestimmende Rolle spielen.«
»Liebst du mich, Riik?«
»Der Helm wird das besser beantworten, als ich es kann.« »Gut. Gut.« Sie lächelte nervös. Dann hob sie den Helm mit übertriebener Vorsicht hoch, setzte ihn auf, rückte ihn zurecht, glättete eine vorwitzige blonde Locke wieder unter den Helmrand. Er nickte und setzte seinen eigenen auf.
»Fertig?« sagte er.
»Fertig.«
»Jetzt!« Er legte den Hebel um. Ihre Geister brandeten einander entgegen.
Dann –
Einssein!
Mein Gehirn ist vollgestopft mit den Phantasievorstellungen anderer Menschen: Roboter, Androiden, Sternschiffe, Riesencomputer, räuberische Energiekugeln, falsche Messiasse, echte Messiasse, Besucher von fernen Welten, Zeitmaschinen, Schwerkraftaufhebung. Man drücke auf meine Knöpfe, und ich liefere Parabeln aus den Werken von Hartzell oder Marcus, passende philosophische Perlen, geborgt aus den gesammelten Leitartikeln David Coughlins, oder Konzeptionen, die sich aus meinen Meditationen zu De Soto ergeben haben. Ich bin eine wandelnde Masse der Einfallskraft aus zweiter Hand. Ich bin die Personifizierung der Science-fiction-Ruhmeshalle in Fleisch und Blut.
»Endlich«, rief Professor Kholgoltz triumphierend. »Die Maschine ist fertig! Das letzte Solenoid ist eingebaut! Führen Sie Strom zu, Hagley. Führen Sie Strom zu! Jetzt werden wir die Antwort bekommen, die wir seit so vielen Jahren suchen!«
Er winkte seinem Assistenten, der den großen Computer langsam zum Pulsieren brachte. Ein subtiles, kaum wahrnehmbares Energieleuchten erfüllte die Luft: der Neutrinofluß, den die Hauptgleichungen vorhergesagt hatten. Im Amphitheater neben dem Labor saßen zehntausend Menschen in angespannter Erwartung: Auf der ganzen Welt warteten Millionen, angeschlossen über Satelliten, mit gleicher Anspannung. Der Professor nickte. Noch eine Geste, und Hagley schob mit großartiger Bewegung das Frageband – programmiert unter der Aufsicht eines Korps von multispannenausgebildeten Philosophen – in den klaffenden Schlund des Eingabeschlitzes.
»Der Sinn des Lebens«, murmelte Kholgoltz. »Die Lösung des größten Rätsels. In nur einem weiteren Augenblick werden wir sie in Händen halten.«
Ein unheilvolles Grollen drang aus den Tiefen der mächtigen Denkmaschine. Und dann –
Mein immer wiederkehrender Alptraum: ein Strahl dichten Smaragdlichts durchdringt mein Zimmer und hebt mich mit unwiderstehlicher Kraft von meinem Bett. Ich schwebe durch das Fenster und verharre hoch über der Stadt. Eine Zone der Schwärze umhüllt mich, und ich sehe mich in eine endlose, tunnelartige Halle mit Onyxwänden versetzt. Ich bin allein. Ich warte, und es geschieht nichts, und nach einer endlosen Zeitspanne beginne ich vorwärts zu gehen, nah an der linken Seite der Halle. Ich erkenne jetzt, daß hochragende, kegelförmige Wesen mit untertassengroßen orangeroten Augen und gummiartigen Leibern rechts an mir vorbeigleiten, ohne mich zu beachten. Ich gehe tagelang. Endlich teilt sich die Halle: neun gleiche Tunnels bieten sich mir dar. Aufs Geratewohl suche ich mir den links außen aus. Er ist genau wie der letzte Gang, nur sind die auf mich zukommenden Wesen jetzt belebte Seesterne in Purpurrot, rauhäutig, mit vielen Tentakeln, und in ihrer Mitte glüht eine Kugel aus blassem, weißem Feuer. Wieder Tage. Ich spüre keinen Hunger, keine Müdigkeit; ich marschiere einfach weiter. Der Tunnel gabelt sich wieder. Diesmal siebzehn Möglichkeiten. Ich wähle die Abzweigung äußerst rechts. Keine Veränderung im Äußeren des Tunnels – glatt wie immer, von einem unerklärlichen inneren Strahlen erhellt – aber jetzt sind die Wesen, die an mir vorbeigleiten, kugelig, durchsichtig, pantoffeltierchenförmige Exemplare, angefüllt mit durcheinanderschäumenden, nebelhaften Organen.
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