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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Sicherheit seiner Zelle konnte er sie bellen hören, hörte auch die gräßlichen Schreie der Opfer, der alten Frauen, der versprengten Kinder. Vier, fünf Nächte jede Woche rissen die bissigen Bestien sich jetzt los und unternahmen ihre Raubzüge, und jede Nacht blieben weniger Menschen übrig, um die Flut aufzuhalten. Das war schlimm genug, aber es gab noch Schlimmeres: seine eigene Gier. Wie lange konnte er sich hier noch einsperren? Wie lange würde es dauern, bis auch er dort draußen umherlief und nach Blut dürstete?
    Als ich mittags zum Zeitungsstand ging, um die neueste Ausgabe von ›Tomorrow‹ zu holen, entdeckte ich die erste Nummer eines neuen Magazins: ›Welten voller Wunder‹. Das verblüffte mich. Es mußte neun oder zehn Jahre her sein, seitdem jemand das Risiko eingegangen war, einen neuen SFTitel herauszubringen. Wir haben unsere Handvoll längst etablierter Stützen, die meisten in den dreißiger und sogar schon in den zwanziger Jahren begründet, die für die Ewigkeit eingerichtet zu sein scheinen, aber das Scheitern fast aller neueren Magazine in den fünfziger Jahren war so eindeutig, daß ich wohl annahm, es werde nie mehr neue Titel geben. Und doch ist hier ›Welten voller Wunder‹, heute neu. Das Heft hat nichts Außergewöhnliches an sich. Bis auf den Namen könnte es sehr wohl ›Deep Space‹ oder ›Solar‹ sein. Das Format ist das übliche, in der Größe von ›Reader’s Digest‹. Das Titelbild stammt – keine Überraschung – von Greenstone. Die Geschichten sind von Aschenbach, Marcus und ein paar weniger bekannten Namen. Der Herausgeber ist Roy Schaefer, an den ich mich als einen sachkundigen, aber unauffälligen Autor in den fünfziger und sechziger Jahren erinnere. Ich sollte mich eigentlich darüber freuen, daß ich nun über weitere sechs Ausgaben im Jahr verfügen kann, die mir Freude machen sollten. Tatsächlich fühle ich mich auf unklare Weise bedroht, so, als habe der Tunnel meiner Träume eine unerwartete neue Abzweigung entstehen lassen.
    Die Zeitmaschine hängt vor mir im Labor, ein glitzerndes, goldenes Ei, zwischen Ebenholzstützen schwebend. Richards und Halleck lächeln nervös, als ich darauf zugehe. Schließlich ist dies der Höhepunkt unserer jahrelangen Forschungsarbeit, und der Erfolg der Reise, die ich antreten werde, ist von solchen Emotionen belastet, daß jeder Augenblick von schwerer symbolischer Bedeutung zu sein scheint. Unsere Experimente mit Ratten und Kaninchen scheinen erfolgreich verlaufen zu sein, aber wie können wir wissen, was es heißt, durch die Zeit zu reisen, bis ein menschliches Wesen die Fahrt angetreten hat?
    Nun gut. Ich betrete die Maschine. Schnell sprechen wir einander Anweisungen über die Bordsprechanlage zu. Einstellung? 5. Mai 2500 A. D. – ein Sprung von fast dreieinhalb Jahrhunderten. Energiestufe? Energiezufuhr? Go. Go. Dislokationsschaltung an?
    Ja. Alle Systeme go. Bon voyage!
    Die Schalttafel spielt verrückt. Skalenzeiger kreisen. Lichter zucken. Alles dreht gleichzeitig durch. Ich stürze vorwärts durch die Zeit, weiter, weiter, weiter!
    Als alles wieder ruhig ist, beginne ich mit der Notfallprozedur. Die Zeitkapsel muß genauso geöffnet werden, ohne Eile. Meine Hände zittern in Erwartung der fremden, neuen Welt, die mich erwartet. Tausend Hypothesen schwirren durch mein Gehirn. Endlich geht die Luke auf.
    »Hallo«, sagt Richards. »Tag auch«, sagt Halleck. Wir sind nach wie vor im Labor.
    »Das verstehe ich nicht«, sage ich. »Meine Meßgeräte zeigen eindeutig Zeitversetzung an.«
    »Die hat auch stattgefunden«, sagt Richards. »Sie sind zum Jahr zweitausendfünfhundert A. D. vorgedrungen, wie geplant. Aber Sie sind immer noch hier.«
    »Wo?«
    »Hier.«
    Halleck lacht.
    »Wissen Sie, was passiert ist, Mike? Sie sind durch die Zeit gereist. Sie sind dreihundert und etliche Jahre vorwärtsgesprungen. Aber Sie haben die ganze Gegenwart mitgenommen. Sie haben Ihre eigene Zeit in die Zukunft geschleppt. Das ist so, als ziehe man einen Krapfen durch seine eigene Öffnung. Verstehen Sie? Unsere Arbeit ist umsonst, Mike. Wir haben die Lösung. Die Gegenwart ist immer um uns, gleichgültig, wie weit wir hinausziehen.«
    Vor ungefähr fünf Jahren habe ich einmal LSD genommen, eine kleine rote Pille, die ein Freund mir aus New Mexico mit der Post geschickt hatte. Ich hatte viel über Psychedelisches gelesen und hatte keinerlei Angst: im Gegenteil, ich war begierig auf das Erlebnis. Ich würde in den Kosmos

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