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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sich, so daß sie beide vor der Sichtscheibe stehen. So, als könnte sie sehen. Der Nicht-Raum tanzt und rotiert Zentimeter vor seiner Nase. Er spürt, wie ein heißer Wind durch das Schiff weht, der Chamsin, der Schirokko, der Samum, der Leveche, ein schwüler Wind, ein tödlicher Wind aus der grauen Fremdheit, und er zwingt sich dazu, diesen Wind nicht zu fürchten. Es ist ein Wind des Lebens, sagt er sich, ein Wind der Freude, ein kühler, duftender Wind, der Mistral, der Tramontana. Warum soll er glauben, im Reich jenseits der Sichtscheibe gebe es etwas zu fürchten? Wie schön es dort draußen ist, wie unfaßbar schön! Wie traurig, daß wir nie jemandem davon erzählen können, jetzt nicht mehr, außer einander. Unerwartet senkt sich ein sonderbarer Frieden über ihn. Alles wird gut werden, meint er beharrlich. Aus dem, was geschehen ist, wird nichts Böses kommen. Vielleicht etwas Gutes. Vielleicht etwas Gutes. Gutes kommt oft aus dem Schwärzesten.
    Sie spielt Go wie besessen und schlägt alle. Sie scheint zwanzig Stunden am Tag im Salon zu leben. Manchmal nimmt sie es mit zwei Gegnern gleichzeitig auf – eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, daß sie die sich ständig wandelnden, komplexen Stellungen beider Bretter im Gedächtnis behalten muß – und schlägt sie beide: zwei Tage, nachdem sie die Sprechverbindung mit Yvonne verloren hat, triumphiert sie vor dreißig Zuschauern über Roy und Heinz gleichzeitig. Sie wirkt angeregt und heiter; das Leid, das sie beim Abreißen der Verbindung empfinden muß, verbirgt sie sorgfältig. Sie drückt es, vermuten die anderen, nur durch ihr manisches Go-Spiel aus. Der Jahres-Kapitän ist einer ihrer häufigsten Gegner und setzt sich in der Zeit ans Brett, in der er sonst die Mitteilungen an die Erde formuliert und diktiert hätte. Er hatte gedacht, das Go-Spiel sei für ihn seit Jahren erledigt, aber auch er spielt jetzt wie besessen, baut Mauern und die unangreifbaren Festungen, die ›Augen‹ genannt werden. Der rhythmisch klackende Marsch der schwarzen und weißen Steine bringt Beruhigung. Noelle gewinnt jedes Spiel gegen ihn. Sie bedeckt das Brett mit Augen.
    Wer kann die Störung erklären? Niemand glaubt, daß das Problem die Funktion von etwas so Naheliegendem wie der Entfernung ist. Noelle hat in dieser Hinsicht ganz zu überzeugen vermocht: ein Signal, das die ersten sechzehn Lichtjahre einer Reise perfekt übertragen wird, sollte sich nicht plötzlich abschwächen können. Es hätte zumindest schon vorher Zeichen eines Nachlassens geben müssen, und ein Nachlassen trat nicht ein, nur Geräusche, die das Signal störten und schließlich zerstörten. Irgendeine Kraft wirkt zwischen den beiden Schwestern störend ein. Aber was kann es sein? Der Gedanke, daß es sich um eine physische Wirkung, ähnlich der Sonnenflekkenstörungen handelt, daß sie die Folge von Strahlung eines Riesensterns sei, in dessen Nähe sie sich seit einiger Zeit befinden, muß schließlich aufgegeben werden. Zwischen dem Real-Raum und dem Nicht-Raum gibt es keine EnergieGrenzfläche, keine Gelegenheit für irgendein elektromagnetisches Eindringen. Soviel war zur Genüge bewiesen, lange, bevor man bemannte Flüge unternommen hat. Das Nicht-Raum-Rohr ist eine undurchdringliche Wand. Nichts, das Masse oder Ladung besitzt, kann die Barriere zwischen dem Universum anerkannter Erscheinungen und dem Kokon aus Nichts überspringen, den der Antriebsmechanismus des Schiffes um sie gesponnen hat, noch kann ein Photon hinüber gelangen, noch auch ein glitschiges Neutrino.
    Viele Spekulationen beschäftigen die Reisenden. Die eine Kraft, die das Hindernis überwinden kann, betont Roy, sei das Denken: ungreifbar, unmeßbar, grenzenlos. Wie, wenn der Sektor des Real-Raums, der diesem Bereich des Nicht-Raums entspricht, von Wesen mit ungeheuren telepathischen Kräften bewohnt wird, deren Sendungen, über eine Sphäre mit einem Radius von vielen Lichtjahren hinausflutend, die Barriere ebenso leicht durchdringen können wie die von Yvonne? Die fremden geistigen Emanationen, meint Roy, überlagern das Signal von der Erde.
    Heinz erweitert diese Theorie auf eine andere Möglichkeit: daß die Störung von Bewohnern des Nicht-Raums verursacht wird. Darin verbirgt sich ein scheinbares Paradoxon, weil mathematisch bewiesen ist, daß das Nicht-Raum-Rohr abgesehen von dem Schiff, das hindurchfliegt, gänzlich frei von Materie sein muß, sonst würde ein mit Überlichtgeschwindigkeit fliegender Körper

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