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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Abschied aus der Bundesregierung galt dieser als »loose canon«, als eine aus den Angeln gerissene Kanone, die unkontrolliert in alle Richtungen feuerte. »Manchmal könnte ich den Clement an die Wand klatschen«, entfuhr es 2007 dem damaligen SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, womit er die Seelenlage vieler genervter Genossen auf den Punkt brachte.
    Steinbrück spürte, dass es bei manchen Gefechten zwischen Clement und der SPD nicht mehr um die Sache ging, sondern um persönliche Anwürfe und um das Begleichen alter Rechnungen. Außerdem hatte Clement sich dadurch angreifbar gemacht, dass er mehrere gut dotierte Beraterposten in der Wirtschaft angenommen hatte, unter anderem einen für den Stromkonzern RWE. In dieser Eigenschaft äußerte er sich immer wieder zu energiepolitischen Fragen und kritisierte die SPD hart wegen des mehrheitlich beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie. Obwohl Steinbrück viele Positionen von Clement teilt, weiß er doch, dass die Vermengung von politischen Standpunkten und persönlichen wirtschaftlichen Interessen fragwürdig ist und Widerstand geradezu herausfordert.
    Mehrfach wurde Steinbrück von Franz Müntefering und dem kurzzeitig als SPD-Chef fungierenden Kurt Beck gebeten, mäßigend auf Clement einzuwirken. Als dieser aber 2008 vor der Landtagswahl in Hessen dazu aufrief, die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti wegen ihrer energiepolitischen Positionen nicht zu wählen, war das Maß voll. Die Bochumer SPD, Clements Heimatverband, brachte ein Parteiausschlussverfahren gegen den früheren SPD-Vize in Gang: Clement war vom Reservekanzler zum Risikofaktor geworden, und seine Partei wollte ihn nur noch loswerden. Steinbrück versuchte vergeblich zu vermitteln. Er hielt der SPD eine jakobinerhafte Neigung zu Tribunalen vor und warb darum, andere Meinungen auszuhalten. Doch die Verbitterung auf beiden Seiten wuchs. Zwar machte das Bundesschiedsgericht den Parteiausschluss rückgängig und wandelte ihn in eine Rüge ab, doch jetzt hatte der Getadelte die Nase voll. Einen Tag später trat Clement öffentlichkeitswirksam aus der SPD aus.
    Steinbrück nimmt dem alten Freund dieses auf reine Außenwirkung abzielende Manöver bis heute übel. Nicht nur, dass er während des gesamten Verfahrens unter der Strenge der Partei litt. Ebenso schmerzlich war es, einen alten Freund und politischen Weggefährten Stück für Stück zu verlieren. Das Verhältnis von Steinbrück zu Clement ist heute merklich abgekühlt. Obwohl beide in Bonn wohnen, liegt das letzte gemeinsame Bier schon lange zurück.
    Was empfindet er denn wirklich für die SPD, will man am Ende eines langen Gesprächs wissen. Liebe empfinde er jedenfalls nicht, sagt Steinbrück, solche Gefühle behalte er seiner Familie vor. »Aber man ist nicht 40 Jahre in einer Partei, wenn das nur eine reine Vernunftbeziehung wäre«, räumt er ein. Steinbrück kennt die lange Geschichte der SPD sehr gut, und die Betrachtung der mitunter leidvollen Historie lässt ihn nicht kalt. Auf die Lebensleistung einiger sozialdemokratischer Frauen und Männer könne er sogar »durchaus emotional reagieren«. Eines wird er allerdings nie akzeptieren: »Ich war immer ein großer Kritiker von Leuten, die ideologisch oder missionarisch aufgetreten sind.«

Kapitel 15
    Schon wieder eine Troika
    D as Wort »Troika« stammt aus der russischen Sprache und bezeichnet nicht etwa ein Dreigestirn höchst unterschiedlicher, aber aufeinander angewiesener Politiker. Vielmehr bezieht es sich auf die Bespannung eines Fuhrwerks oder Schlittens mit drei Zugtieren, die gleichmäßig nebeneinander hergehen. Gleichmäßig! Eine Troika funktioniert nämlich nur, wenn keines der Pferde ausbricht oder durchgeht.
    Die Geschichte der SPD ist reich an solchen Dreiergespannen. Allerdings zeigt der Blick zurück, dass die politischen Zugtiere der Sozialdemokratie immer erkennbare Probleme damit hatten, sich auf Dauer einspannen zu lassen, um einträchtig den roten Karren der Partei zu ziehen. Schon Doppelspitzen gelten heute im Management als Fehlkonstruktion – wie soll es dann erst funktionieren, wenn man gleich drei Alphatiere unter ein Joch zwängt?
    Die erste und bis heute erfolgreichste Troika bildeten in den Siebzigerjahren Willy Brandt als Parteichef, Herbert Wehner als Fraktionsvorsitzender und Helmut Schmidt als Bundeskanzler. Alle drei verkörperten extrem unterschiedliche politische Naturelle. Wehner, Exkommunist und Fraktionschef von 1969 bis 1982, galt als
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