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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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»Zuchtmeister« der Genossen und straffer Organisator. Brandt hingegen agierte als Visionär, erschloss der SPD neue, breite Wählerschichten, ließ aber in der zweiten Amtsperiode als Bundeskanzler den rechten Schwung vermissen. Das trug ihm jene berühmte Bemerkung Wehners ein: »Der Herr badet gerne lau.« Nach Brandts Rücktritt infolge der Guillaume-Affäre übernahm mit Helmut Schmidt ein Macher das Amt des Kanzlers, der im Unterschied zu Brandt allen politischen Visionären einen Besuch beim Arzt empfahl. Wehner blieb der bärbeißige Mehrheitsbeschaffer im Bundestag, während Brandt als SPD-Chef immer mehr dem Tagesgeschäft entschwand, wie sein späterer Spitzname »Willy Wolke« verdeutlicht.
    Schmidt kämpfte derweil gegen Wirtschaftsflaute, Ölkrise, RAF-Terrorismus und den zunehmenden Verschleiß der sozial-liberalen Koalition, die Wehner im Grunde seines Herzen nie akzeptiert hat. Trotzdem hielten Brandt, Schmidt und Wehner im Gegensatz zu späteren Dreierbündnissen während der gesamten 13 Jahre SPD-Regierung diszipliniert zusammen. Daran änderten gelegentliche Machtkämpfe und Missstimmungen ebenso wenig wie die Tatsache, dass die persönliche Wertschätzung der drei Herren füreinander oft erkennbar gering ausfiel.
    Schmidt hat diese Machtverteilung auf drei Schultern später offen als »Fehler« bezeichnet. Für ihn als Regierungschef, der in seiner Partei unliebsame Entscheidungen wie die Nachrüstung durchsetzen musste, wäre es von großem Vorteil gewesen, das Amt des Kanzlers und des SPD-Vorsitzenden in einer Hand zu halten.
    Die zweite Troika der SPD versuchte 1994 ihr Glück. Der damalige saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine, sein niedersächsischer Amtskollege Gerhard Schröder sowie der SPD-Vorsitzende und frühere rheinland-pfälzische Regierungschef Rudolf Scharping kämpften als neues sozialdemokratisches Trio um die Macht im Bund. Scharping verlor 1994 die Wahl gegen Helmut Kohl, blieb danach als Oppositionsführer und Parteichef blass und wurde schließlich 1995 auf dem Mannheimer Parteitag der SPD von Oskar Lafontaine gestürzt. Weder Schröder, der Scharping in der parteiinternen Urwahl um das Amt des SPD-Vorsitzenden 1993 unterlegen war, noch Lafontaine hatten jemals Scharpings Rolle als »Primus inter Pares« akzeptiert. Und das, obwohl ihm seine Ämterhäufung als Kanzlerkandidat, Parteichef und Fraktionsvorsitzender ausdrücklich eine herausgehobene Stellung verlieh. Die ursprüngliche Idee, die unterschiedlichen Stärken der drei Sozialdemokraten als Gesamtangebot der SPD an die Bürger zu bündeln, zeigte deshalb keinen Erfolg. Scharping galt als ruhig und verlässlich, Schröder als pragmatischer Modernisierer und Lafontaine repräsentierte als rhetorisch brillanter Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit den linken Flügel der Partei. Die Öffentlichkeit merkte aber früh, dass die Konstruktion der Troika nicht eine inhaltliche und personelle Verbreiterung repräsentierte, sondern einen noch nicht entschiedenen innerparteilichen Machtkampf überdecken sollte.
    Die Geburtsstunde der dritten »Troika« lässt sich auf den 18. Juli 2011 datieren. An diesem Tag traten der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und der einfache Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück erstmals gemeinsam in Berlin vor der Bundespressekonferenz auf. Die drei Herren kamen rund fünf Minuten zu früh; nicht aus Übereifer, sondern weil sie als Politikprofis wussten, dass Dutzende Fotografen und Kamerateams bereits auf ihr Eintreffen warteten. Allein das mehrminütige Blitzlichtgewitter und das gleißende Scheinwerferlicht vor dem eigentlichen Beginn ihres Auftritts wiesen darauf hin, dass es sich nicht um eine x-beliebige Pressekonferenz handelte, sondern um eine sorgfältig inszenierte Demonstration neuen sozialdemokratischen Selbstbewusstseins. Die Aufregung im sommerlich ruhigen Berlin war damals groß. Schon als der Termin des Dreierauftritts angekündigt wurde, liefen in der SPD-Zentrale die Telefone heiß. Ob etwa die Präsentation des SPD-Kanzlerkandidaten bevorstehe, wollten einige Journalisten wissen.
    Als Thema des »Pressegesprächs« mit den drei SPD-Granden waren die Eurokrise und die jüngste Entwicklung in Griechenland angekündigt, doch eigentlich ging es darum bei dem Auftritt fast gar nicht. Prompt wurde Gabriel, soeben sonnengebräunt und bestens gelaunt aus einem Spanienurlaub zurückgekehrt, gefragt, warum denn neben dem
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