Steinbrück - Die Biografie
Zunächst bei der Inflation 1923, dann in der Weltwirtschaftskrise 1929/30 und schließlich nach dem Krieg. Für alle diese Rettungseinsätze benötigte sie übrigens keine Riesensummen, denn im Gegensatz zur deutschen Reichsmark waren die dänischen Kronen vergleichsweise stabil geblieben und deshalb vor allem während der Hyperinflation in Deutschland fast so viel wert wie reine Goldbarren.
Peer Steinbrück hat seine Großmutter noch in guter Erinnerung, weil sie ihm als kleinem Jungen zwei sehr wichtige Dinge beibrachte: erstens das Schachspielen und zweitens das Verlieren. Er war sechs Jahre alt, als ihm die alte Dame die ersten Regeln erklärte und ihm schließlich die Faszination für das Brettspiel der Könige vermittelte. Allerdings ging Steinbrück bei seiner Großmutter durch eine harte Schule, denn sie ließ ihn nie gewinnen. Jahrelang stellte er die Figuren auf das Brett, forderte seine Großmutter heraus, grübelte, taktierte, kämpfte – und verlor. Immer wieder, Jahr für Jahr. Er hat mit sich gerungen, mit dem schwierigen Spiel und seiner strengen Lehrmeisterin gehadert, war manchmal verzweifelt, aber er hat nie aufgegeben. Das kam für Peer Steinbrück schon als Kind nicht infrage, sei es auf der Straße in der körperlichen Auseinandersetzung mit anderen Jungen oder beim Spiel im geistigen Wettstreit mit seiner Großmutter. Von Kindesbeinen an galt für ihn die Maxime: Eine Niederlage ist nur die Zwischenetappe im Kampf um den Sieg. Mit dieser frühen Prägung wurde Steinbrück später zum politischen »Comeback-Kid«: kämpfen, verlieren, aufstehen, weiterkämpfen und irgendwann gewinnen.
Der sechsjährige Schachnovize Peer musste sich übrigens sieben Jahre lang gedulden. Erst mit dreizehn gewann er die erste Partie gegen seine Großmutter. »Das war ein Sieg!«, erinnerte sich Steinbrück später mit Genugtuung. »Es war ein wirklicher Gewinn, und genau darum ging es meiner Großmutter auch in psychologischer Hinsicht. Sie wollte mir nichts schenken, sondern ich musste mir das buchstäblich erobern. Deshalb hatte dieser Sieg gegen sie auch so einen großen Wert für mich« (Interview mit Werner Reuß, Bayerischer Rundfunk, 26.4.2011). In diesem Augenblick des Triumphs hat er gelernt, wie man aus Niederlagen Siege macht.
Steinbrücks Vater war ein nüchterner und zurückhaltender Mensch. Er verkörperte von seiner Art her das genaue Gegenteil der von der dänischen Großmutter geprägten Schaper-Familie. Ernst Steinbrück stammte aus Pommern und war vor der Roten Armee bis nach Hamburg geflüchtet. Tragisch in seiner Geschichte war vor allem, dass sein Vater, also Peers Großvater väterlicherseits, gewaltsam ums Leben gekommen war. Ein Standgericht aus Nazischergen hängte ihn kaltblütig auf, weil er sich in den letzten Tagen des Krieges geweigert hatte, eine völlig unzureichend ausgerüstete »Bürgerwehr« aus Halbwüchsigen und Alten gegen die heranrückende Rote Armee bei Stettin in einen von vornherein aussichtslosen Kampf zu führen. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt, wie so viele andere »Todesurteile« der Standgerichte. Diesen selbst ernannten »Richtern« fielen in den letzten Kriegstagen Tausende Wehrmachtssoldaten zum Opfer, die sich trotz jahrelanger Gräuel einen letzten Funken Ehre und Menschlichkeit bewahrt hatten und sinnlose Befehle anzweifelten oder nicht mehr umsetzten.
In seiner Heimat hatte Ernst Steinbrück vor dem Krieg den Beruf des Architekten gelernt. Den Menschen aus den Landstrichen Pommern und Mecklenburg wird nachgesagt, dass sie kaum ein Wort zu viel über die Lippen bringen und eher zu einer gewissen Dickköpfigkeit und Sturheit neigen. Auch wenn der Apfel bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt – den väterlichen Hang zur Schweigsamkeit jedenfalls hat der Sohn Peer ganz offenkundig nicht geerbt.
Ernst Steinbrück baute sich in den Nachkriegsjahren in Hamburg eine eigene berufliche Existenz auf. Der Start glich einem Sprung ins kalte Wasser, wie sich seine Kinder erinnern. Aber nach einem schwierigen Anfang konnte der junge Architekt zunehmend vom Bauboom der Aufbaujahre in der Hansestadt profitieren und brachte es sogar zu einem gewissen Wohlstand. Einer seiner größten Aufträge war der Entwurf für das Gebäude der Gothaer Versicherung an der Alster.
Steinbrücks Vater galt als pragmatischer und rationaler Mensch – ein Element, das in Teilen sicher auf seinen Sohn übergegangen ist. In späteren Jahren verlegte er sich vom Planen und Entwerfen
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