Steinbrück - Die Biografie
Umweltschutz, als die Flüsse in Deutschland von Bauern und Fabrikanten noch als natürliche Kloaken benutzt wurden und sich niemand darüber aufregte. Schon 1956 begründete er an der Universität Kiel das Fach »Biologische Küstenforschung/Angewandte Ökologie«.
Als die SPD 1988 die Wahl in Schleswig-Holstein gewann, holte Björn Engholm den grünen Avantgardisten gleich als Umweltminister in sein Kabinett. Leider stieß der Professor mit den gewellten schlohweißen Haaren in den Niederungen der Landespolitik schnell auf Widerstand. Vor allem Landwirte und Fischer wollten von seinen Umweltschutzplänen oft nichts wissen. Obwohl bei diesen Debatten viel Ignoranz im Spiel war, konnte es sich in einem Land wie Schleswig-Holstein die Regierung nicht auf Dauer leisten, mit wichtigen sozialen Gruppen wie den Bauern und Seeleuten über Kreuz zu liegen. Die Landbevölkerung stellte schließlich die Mehrheit. Auch die Wirtschaft beschwerte sich, weil der erhöhte Umweltschutz ihr mühsame und vor allen Dingen kostspielige Verhaltensänderungen abverlangte.
Für Peer Steinbrück ging vieles, was in seinem Ministerium mit Billigung des intellektuellen Chefs erdacht und verfügt wurde, in die falsche Richtung. Schnell gerieten der visionäre Minister und sein nüchterner, mitunter hemdsärmeliger Staatssekretär aneinander. »Der Minister und ich sind übereingekommen, dass wir gemeinsam den Zwang zum Erfolg haben«, erklärte Steinbrück schon zu Beginn seiner Amtszeit merkwürdig gestelzt. Tatsächlich gab es in der alltäglichen Zusammenarbeit recht schnell Ärger. Das lag an den grundverschiedenen Persönlichkeiten von Minister und Staatssekretär, vor allem aber am unterschiedlichen Politikstil. Steinbrück empfand das Wirken seines Chefs als missionarisch und mitunter lebensfremd – überhaupt entsprach das ganze Denken von Heydemann nicht seinem Empfinden. Er hatte in der Bonner Ministerialbürokratie gelernt, dass Politik nicht nur aus schönen Vorschlägen und guten Vorsätzen besteht. Vielmehr liegt zwischen der ersten politischen Idee und einem gültigen Gesetz ein langer, steiniger Weg. Gegner müssen mühsam überzeugt, Mehrheiten geduldig erkämpft werden. Und selbst wenn das Gesetz am Ende einer langen Debatte endlich erlassen ist, muss es von der Administration noch umgesetzt und in das wirkliche Leben der Bürger übertragen werden.
Steinbrück war das ganze Vorgehen in Heydemanns Ministerium zu kleinteilig. Der Umweltschutz wurde in immer detailliertere Verwaltungsregeln und Durchführungsverordnungen aufgespalten. Er empfand das als lebensfremd. Die Kontrollpflichten der Landesämter und kommunalen Stellen wuchsen ständig an. »Mensch, wer soll das alles verstehen, befolgen und am Ende noch umsetzen?« Solche Fragen gingen dem frisch ernannten Staatssekretär durch den Kopf, wenn er die immer zahlreicheren und komplizierteren Vorschriften las, die in seinem Ministerium erlassen wurden. Vor allen Dingen stellte er sich die Frage, ob ein Umweltschutz, der nur in Gesetzbüchern steht, überhaupt beherzigt und akzeptiert würde.
Steinbrück ist heute vor allem als ehemaliger Bundesfinanzminister und Kenner weltökonomischer Fragen bekannt. Das Image als »Kassenwart der Krise« prägt sein Profil. Umweltschutz hingegen zählt erkennbar nicht zu seinen politischen Kernanliegen. In seinem fast 500 Seiten starken Buch Unterm Strich spielen grüne Themen praktisch keine Rolle. Auch Steinbrücks Verhältnis zu den Grünen war stets von einer Abneigung geprägt, die sich über Inhalte hinaus bis ins Habituelle erstreckt. Dennoch greift man zu kurz, würde man Steinbrück einfach nur als ökologischen Ignoranten abstempeln. Er hat sich im Laufe seines Berufslebens immer wieder mit Umweltthemen und ökologischen Fragen beschäftigt. Im Bauministerium spielte die Zersiedlung der Landschaft eine Rolle, im Forschungsressort die Atomkraft ebenso wie erneuerbare Energien und in Düsseldorf die ganze Palette der Landesumweltpolitik einschließlich der Bergbaufolgen. Auch in Kiel landete das gesamte Spektrum der Umweltpolitik auf seinem Schreibtisch: von Müllverbrennung über Hafenschlick bis hin zu Küstenschutz und Gülleverordnung.
Steinbrück legte schon immer großen Wert darauf, die Umweltfragen nicht losgelöst von anderen Politikfeldern zu betrachten, wie das seiner Meinung nach bei den Grünen und den Naturschutzverbänden zu oft geschieht. In der SPD-Bundestagsfraktion hatte er noch als Referent für Volker
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