Steinbrück - Die Biografie
Hauff und den früheren Juso-Chef Wolfgang Roth das Thema »Arbeit und Umwelt« in ein gleichlautendes Konzept gegossen. Dieses Papier spiegelt bis heute viel von dem wider, was Steinbrück als sein umweltpolitisches Credo bezeichnen würde. Entscheidend ist für ihn die Frage, wie man eine Versöhnung und eine Verbindung von Ökonomie und Ökologie hinbekommt. Umweltschutz um seiner selbst willen lehnt er ab. Und wenn es um Arbeitsplätze und notwendige Infrastrukturen geht, neigt er als Sozialdemokrat und Wirtschaftspolitiker im Zweifel eher dazu, den Menschen Jobs zu verschaffen, als unberührte Naturreservate zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund war in Kiel der Konflikt mit dem visionären Ökologieprofessor Berndt Heydemann programmiert. Da auch andere Politiker dem Umweltminister zusetzten und der Rückhalt in den Reihen der SPD mit der Zunahme der Proteste gegen die neuen Umweltauflagen schwand, gab Heydemann Ende 1993 sein Amt auf. Deprimiert und desillusioniert von der Politik, zog er sich auf seine Lehrtätigkeit an der Universität Kiel zurück. Später klagte er darüber, dass ihm in der Regierungspartei die erforderliche Unterstützung versagt geblieben sei.
Sein Staatssekretär Steinbrück hatte schon vorher die Nase voll. Nach nicht einmal zwei Jahren verließ er 1992 das Kieler Umweltministerium und folgte dem Ruf, als Staatssekretär in das Ressort Wirtschaft und Verkehr zu wechseln. Ein Politikfeld, das ihm thematisch wesentlich mehr lag. Allein das Selbstverständnis des Hauses, als Anwalt der Wirtschaft und der Unternehmen im Land aufzutreten, war so recht nach Steinbrücks Geschmack.
Schon ein Jahr später stand der nächste Karrieresprung in der noch jungen Politikerlaufbahn an. Am 3. Mai 1993 trat Ministerpräsident Björn Engholm von allen politischen Ämtern zurück. Ihm wurde zur Last gelegt, in einem Untersuchungsausschuss zur Barschel-Affäre eine Falschaussage gemacht und wahrheitswidrig erklärt zu haben, dass er vor der Landtagswahl 1987 nichts über die Spitzeltätigkeit von Uwe Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer wusste. Es war nämlich herausgekommen, dass Engholms Sozialminister Günther Jansen an Pfeiffer rund 50 000 DM in bar gezahlt hatte. Angeblich habe der Minister nur helfen wollen, weil Pfeiffer infolge des Barschel-Skandals arbeitslos und bedürftig gewesen sei. Der ehemalige CDU-Ministerpräsident hatte im Wahlkampf eine Bespitzelung seines Kontrahenten Engholm in Auftrag gegeben und war nach Aufdeckung der Affäre unter bis heute nie ganz geklärten Umständen in der Badewanne eines Genfer Hotels gestorben. Jansen gab nun an, das Geld in vielen Einzelspenden erhalten und in einer Schublade gesammelt zu haben, weshalb die Angelegenheit den Namen »Schubladenaffäre« erhielt und als »Waterkant-Gate« weit über Schleswig-Holstein hinaus Aufmerksamkeit erregte.
Auf Björn Engholm folgte Heide Simonis als erste Frau an der Spitze einer deutschen Landesregierung. Als neue Ministerpräsidentin trat sie gleich mit einer runderneuerten Mannschaft an. Bei dieser Kabinettsumbildung wurde Steinbrück, dessen Redetalent und Tatkraft inzwischen vielen aufgefallen war, zum neuen Landesminister für Wirtschaft, Technik und Verkehr ernannt.
Er stürzte sich mit voller Kraft in die Arbeit und unterzog sich im ersten Übermut als oberster Verkehrspolitiker des Landes sogleich einem öffentlichen Führerscheintest. Der Rundfunksender Delta Radio legte ihm live einen Fragebogen aus der theoretischen Führerscheinprüfung vor. Steinbrück beantwortete prompt 13 von 36 Fragen falsch und fiel mit Pauken und Trompeten durch. »Desaströs« sei das Ergebnis, räumte der neue Verkehrsminister zerknirscht ein – und versprach den Hörern im gleichen Atemzug, die Anforderungen an die Führerscheinprüfung während seiner Amtszeit nicht weiter zu erhöhen. Das nennt man Situationskomik!
Um einen flotten Spruch war der frischgebackene Minister ohnehin nie verlegen. Angesichts des knappen Etats im Verkehrsressort schlug er beispielsweise vor, Radwege etwas schmaler zu bauen und auf eine Verklinkerung der Oberfläche zu verzichten. Auch beim Straßenbau könne Geld gespart werden, wenn man beispielsweise die Kurven auf niedrigere Geschwindigkeiten auslege. »Wer dann das Tempolimit missachtet, läuft Gefahr rauszufliegen«, meinte Steinbrück trocken. Der ADAC protestierte, aber der neue Minister war auf Anhieb in aller Munde.
In der SPD zuckten ebenfalls einige zusammen, als Steinbrück in
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