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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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SPD-Bundestagsfraktion quittierte Steinbrück seinen Dienst, um ein Angebot im Düsseldorfer Landesministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft anzunehmen. Jetzt war er wenigstens wieder in der Regierung angelangt und schmorte nicht länger in der Opposition.
    Im sozialdemokratisch regierten Nordrhein-Westfalen nahm seine Karriere Fahrt auf. Die auf der Bundesebene gesammelten Erfahrungen kamen Steinbrück im etwas weniger hektischen Landesdienst sehr zupass. Er hatte auf dem glatten Bonner Parkett eine Menge gelernt und fiel damit in Düsseldorf, wo nicht ganz so scharf geschossen wurde, sofort als Überflieger auf. Nach nur einem Jahr hatte sich das bis zum Ministerpräsidenten herumgesprochen. Johannes Rau, eher Seelenleser und Menschenfänger als Administrator und Politikmanager, suchte 1986 händeringend einen Büroleiter, der ihm den Laden organisierte und den Rücken freihielt. Das war auch bitter nötig. Zum einen war Rau neben seinem Amt als Ministerpräsident lange Jahre stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Zum anderen fuhr »Bruder Johannes« am liebsten kreuz und quer durch das weitläufige Land und sprach wie ein Prediger zu den Leuten. Das Aktenstudium am Schreibtisch schätzte der Landesvater alten Stiles weit weniger, was allerdings seiner enormen Popularität keinen Abbruch tat.
    Jemand wie Steinbrück kam dem Büroflüchtling und Aktenhasser Johannes Rau deshalb gerade recht. Mit seinen Erfahrungen als persönlicher Referent von drei Bundesministern und als Mitarbeiter des Kanzleramts hatte der effiziente und fleißige Hamburger das Büro des Ministerpräsidenten in Düsseldorf schnell auf Vordermann gebracht.
    Fast vier Jahre lang blieb Steinbrück bei Rau, bis 1990. Für einen Beamten eigentlich keine große Zeitspanne, doch in Steinbrücks Karriere stellte es die bislang längste Verwendung dar. In der Rückschau ist das eher erstaunlich, denn Rau und Steinbrück waren vom Charakter her gänzlich unterschiedliche Typen. In Düsseldorf lernte der kühle und distanzierte Norddeutsche, wie man als Politiker an Rhein und Ruhr auf die Menschen zugeht. Er sah, dass ein paar persönliche Worte, ein freundliches Lachen und ein fröhlich erzählter Witz politische Anliegen oft besser rüberbringen konnten als ein perfekt ausgearbeiteter Aktenvermerk.
    Rau war, wie Steinbrück sagt, ein »begnadeter Witzeerzähler«. Er arbeitete wie kaum ein anderer die Pointen heraus und verfügte über einen unendlichen Fundus. Der Ministerpräsident benutzte Witze im Übrigen auch, um seinen Gesprächspartnern etwas zu signalisieren, zu übermitteln. Etwa was man in bestimmten Situationen tun oder besser lassen sollte. Er liebte diese Art von pädagogischer Unterweisung. Es waren kleine Botschaften, fein verpackt in Humor.
    Nicht jeder allerdings verstand seine Art. Mancher Besucher von Rau klagte später, dass er lieber Klartext mit ihm gesprochen hätte – ein Wunsch, den der Klartext-Liebhaber Steinbrück gut nachvollziehen konnte. Die Neigung von Rau, sich in offenen Situationen ins Ungefähre zu flüchten oder in ausführlich erzählte Anekdoten auszuweichen, war im Arbeitsalltag nicht immer leicht zu ertragen. Außerdem hatte die ständige Nähe zu Rau für seinen Büroleiter den Nachteil, dass er nach und nach die meisten Witze des Chefs kannte. Zudem konnte der Ministerpräsident »sich dranhalten«, wie man im Rheinland sagt. »Er fand beim Witzeerzählen gelegentlich nur schwer ein Ende«, räumte Steinbrück einmal ein.
    Zur echten Belastungsprobe entwickelte sich der Ausflug des Ministerpräsidenten in die Bundespolitik. Steinbrück wurde Zeuge, wie sich ein chancenloser Johannes Rau bei der Bundestagswahl 1987 als Spitzenkandidat aufrieb und dennoch klar gegen Helmut Kohl unterlag. In seinem Buch schreibt Steinbrück, dass dieser Wahlkampf »an einer fehlenden konkreten Machtperspektive« gescheitert sei. Rau konnte nicht auf die FDP als Koalitionspartner zählen, da die Liberalen nach der Wende 1982 fest an der Seite der Union standen. Das Verhältnis der SPD zu den Grünen war zu der Zeit äußerst angespannt, an eine Koalition im Bund war nicht zu denken. Das Wahlziel, Bundeskanzler zu werden, ließ sich also nur erreichen, wenn Rau die SPD zur stärksten Partei gemacht hätte. Lediglich eine Legislaturperiode nach der Abwahl Helmut Schmidts ein unrealistisches Unternehmen.
    Rau kämpfte also einen aussichtslosen Kampf – auch gegen Mutlosigkeit und Defätismus in den eigenen

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