Steinbrück - Die Biografie
wenig begeistert, dass ihr Wirtschaftsminister die Koalition in seiner harten und kompromisslosen Art an den Rand des Scheiterns geführt hatte.
Trotz allem ließ Steinbrück sich nicht beirren, auch nicht bei anderen Streitigkeiten, von denen es genug gab. Bei keiner wich er zurück. So versuchte er im Streit mit Berlin und Brüssel, die Schließung des Marinestützpunkts Olpenitz mit 1500 Soldaten ebenso zu verhindern wie den Beschluss der EU, den zollfreien Einkauf auf Schiffen und in Flugzeugen abzuschaffen. Das Ende des Duty-free-Handels hatte nämlich für die Küstenländer den erheblichen Nachteil, dass die zahlreichen »Butterschiffe« um ihre Existenz bangen mussten. Allerdings konnte Steinbrück weder die Standortschließung noch das EU-Projekt stoppen – es gab also auch ein paar Kämpfe, die er nicht gewinnen konnte.
Erfolgreicher stritt er dagegen um den Erhalt der bedrohten Werften, wenngleich er in diesem Zusammenhang seine kritische Haltung gegenüber Subventionen aufgeben musste. Neben der Bundeshilfe für die Werftindustrie machte das Land Schleswig-Holstein auf Betreiben seines Wirtschaftsministers hohe zweistellige Millionenbeträge locker, um das Überleben des Schiffsbaus zu sichern. Eine Alternative war nicht in Sicht. Selbst Steinbrück wagte es nicht, das Ende dieses traditionsreichen Industriezweigs durch die Verweigerung öffentlicher Förderung zu provozieren.
Dafür legte er sich quer, als die CDU-geführte Bundesregierung unter Helmut Kohl versuchte, für die Magnetschwebebahn Transrapid eine Referenzstrecke zwischen Berlin und Hamburg zu bauen. Auch hier war Schleswig-Holstein nur zu einem kleinen Teil betroffen, doch Steinbrück hielt das Projekt für Geldverschwendung. Zum einen sei das prognostizierte Fahrgastaufkommen von jährlich 14,5 Millionen Passagieren viel zu hoch. Zum anderen fand er es unverantwortlich, Steuergelder in Milliardenhöhe zu investieren, wenn der Zeitvorteil des Transrapid gegenüber einer verbesserten ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke nur wenige Minuten betragen würde. Daneben spielte wohl die Sorge Steinbrücks eine Rolle, dass die für den Transrapid ausgegebenen Milliarden am Ende bei anderen Verkehrsprojekten fehlen würden, nicht zuletzt im strukturschwachen Schleswig-Holstein.
Nach vier Jahren gemeinsamer Regierungszeit wird in Kiel viel über das angespannte Verhältnis zwischen Steinbrück und Ministerpräsidentin Simonis getuschelt. Sie kommt schlecht mit der forschen Art und dem krachenden Selbstbewusstsein ihres Wirtschaftsministers zurecht. Angeblich soll sie ihn einmal einen »Amokläufer« genannt haben, weil er ohne Rücksicht auf Verluste in jeden Kampf hineinlaufe. Das Zitat wird später bestritten, doch die Bezeichnung sollte sich lange halten. Steinbrück hingegen vermisst bei der Ministerpräsidentin ein ordentliches Regierungsmanagement und eine straffere Zügelführung. Simonis neigt stark dazu, sich vor allem in der SPD-Fraktion nach allen Seiten abzusichern – eine mitunter zeitraubende Taktik, die jemandem mit Steinbrücks Naturell erheblich auf die Nerven geht. Desgleichen sorgt die allgemeine Wahrnehmung, dass der Wirtschaftsminister ein Aktivposten in einem ansonsten eher schwachen Kabinett sei, bei der Regierungschefin nicht unbedingt für Heiterkeit.
Der Bruch zwischen den beiden deutet sich schließlich an, als Steinbrück zusammen mit Europaminister Gerd Walter ein Strategiepapier zur Zukunft der Ostseeregion vorlegt. Darin sind aus Sicht der Grünen zahlreiche verkehrspolitische Provokationen enthalten. Andere, teils brisante Vorschläge, greifen tief in die Zuständigkeit anderer Ressorts ein. Die größte Aufregung entsteht dadurch, dass Steinbrück in dem Papier die Idee eines »Nordstaats« ins Spiel bringt, der aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und den beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen bestehen soll. Angesichts der boomenden Entwicklung der schwedisch-dänischen Öresundregion und der Kooperation Kopenhagen-Malmö könnten die deutschen Ostseeländer nicht mit ihrer »Kirchturmpolitik« fortfahren, schreibt Steinbrück in dem Papier.
Heide Simonis gerät in Rage und macht aus ihrem Ärger keinen Hehl. Zum einen ist sie eine strikte Gegnerin des Nordstaats, zum anderen hat sie das Thema »Entwicklung der Ostseeregion« bereits auf die Tagesordnung der nächsten Kabinettssitzung gesetzt. Wenn Steinbrück dann ohne Rücksprache eine Woche vorher ein eigenes Konzept präsentiert, muss
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