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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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Insolvenz. Und im Zusammenhang mit der Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann wurde Neuber sogar angeklagt. Ebenso scheiterte die Ausweitung der WestLB von einer landeseigenen Förderanstalt zu einer weltumspannenden Investmentbank spätestens in dem Augenblick, als die EU-Kommission die öffentlich-rechtlichen Garantieprivilegien der Bank als wettbewerbswidrig verwarf. Mit der Gewährträgerhaftung verlor die WestLB ihren wichtigsten Vorteil gegenüber der privaten Bankkonkurrenz und damit ein entscheidendes Geschäftsmodell.
    Trotz all dieser Höhen und Tiefen konnte Neuber seine wirtschaftliche und politische Macht fast unumschränkt ausüben. Mit Rau war er eng befreundet, und den langjährigen Finanzminister Schleußer kannte der Bankmanager schon aus gemeinsamen Juso-Tagen. Und keiner der Herren schien etwas dabei zu finden, die teuren Privatjets für dienstliche Reisen und sonstige Ausflüge zu buchen, selbst wenn der private oder parteipolitische Charakter eindeutig im Vordergrund stand. Der Skandal um die Flüge, in den auch CDU-Politiker verstrickt waren, kam erst durch eine Indiskretion ins Rollen, als Johannes Rau schon Bundespräsident war.
    Als harter Kritiker Raus profilierte sich damals übrigens der Oppositionsführer im niedersächsischen Landtag, der CDU-Politiker Christian Wulff. Er warf Rau wegen der Inanspruchnahme der Flüge »moralisches Fehlverhalten bis hin zur Korruption« vor und forderte lautstark den Rücktritt des Bundespräsidenten. Während Rau alle Vorwürfe zurückwies und die Reisen als reine Dienstangelegenheiten verteidigte, verstrickte sich Schleußer zunehmend in Ungereimtheiten. Das Pikante an den Flugreisen war nämlich, dass sich bei einigen Trips wechselnde junge Damen an Bord befanden. Am Ende der ganzen Affäre blieb Rau Bundespräsident, während Schleußer seinen Posten als Landesfinanzminister räumen musste.
    Clement, dem der ganze rote Filz um WestLB-Chef Friedel Neuber immer schon unheimlich war, geriet dadurch kurz vor den Landtagswahlen in eine veritable Regierungskrise. In der Folge sorgte er für die Ablösung Neubers an der Spitze der Landesbank und bat seinen Freund Steinbrück, das schwierige Amt des Finanzministers zu übernehmen.
    Die Kassenlage des Landes war geprägt von hohen Schulden und geringen Investitionen. Die CDU machte deshalb mächtig Druck gegen den ihrer Meinung nach verfassungswidrigen Etat. Der neue Finanzminister Peer Steinbrück kündigte zwar sogleich eine Sanierung an, verfügte jedoch nur über minimalen Bewegungsspielraum. Der Löwenanteil eines Landeshaushalts ist in der Regel für soziale Leistungen verplant, der Rest geht an die Beamten und Angestellten des Landes. Einsparmöglichkeiten gibt es nur in engen Grenzen: Wer will schon an Polizei, Justiz und Lehrern sparen, wer auf den Bau lange geplanter Umgehungsstraßen verzichten?
    In seiner Not kramte Steinbrück zu Beginn seiner Finanzministerzeit wieder eine Auswahl seiner kernigsten Sprüche hervor, was ihm jedoch keinen Pfennig mehr Geld in die leeren Kassen spülte. »Auf realwirtschaftlichen Druck kann man nicht mit den Tempelweisheiten sozialer Bannerträger« reagieren, sagte er beispielsweise, um die unvermeidlichen Ausgabewünsche aus den eigenen Reihen abzuwehren. Gerne bekannte er in dieser Zeit auch, dass ihm der Begriff »Eigenverantwortung« wichtiger sei als das Wort »Versorgung«. Ebenfalls aufs Korn nahm er den teuren Sozialstaat: Es gebe da »diverse Merkwürdigkeiten«, äußerte er, etwa wenn der Staat Jobsuchenden »die Entfernung von Tätowierungen bezahlt, weil das karrierehemmend sein könnte«.
    Während die SPD bei solchen Äußerungen ihres kantigen Peer leise aufstöhnte, wurden die Zitate bei CDU und FDP so verstanden, wie sie gemeint waren. Steinbrück wollte nach den schlechten Erfahrungen mit den Grünen hinsichtlich der bevorstehenden Landtagswahl 2000 das Tor zur FDP weit aufstoßen und als wirtschaftsfreundlicher, pragmatischer Realpolitiker auch im Lager der konservativen Wählerschaft um Zustimmung werben. Mit Ernst Schwanhold, seinem Nachfolger im Amt des Wirtschaftsministers, verband ihn die gemeinsame Idee, den Unternehmen in der Steuer- und Abgabenpolitik mehr Freiräume zu schaffen. Die beiden Ressorts, so kündigten Schwanhold und Steinbrück an, sollten künftig zusammenarbeiten wie »zwei kommunizierende Röhren«.
    Die Schwerpunkte seiner wiederum nur kurzen Amtszeit als Finanzminister lagen neben der Sanierung des Haushalts bei zwei

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