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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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stets die demonstrative Liebe zu den Leuten sowie eine emotionale und verklärte Ruhrgebietsromantik. Wer den feuerroten Himmel beim Stahlanstich über den Hochöfen nicht schön fand, gehörte eigentlich nicht dazu. Diese Referenz der Mächtigen an das einfache Leben »im Pott« hatte, zusammen mit einer tiefen Verankerung in der Bevölkerung, die Genossen als Vertreter der Arbeiter über Jahrzehnte hinweg ebenso erfolgreich wie selbstgewiss gemacht.
    Bergmannslieder und Kohlenstaub waren eine scheinbar unauflösbare Verbindung mit der SPD eingegangen. Doch die rapide Veränderung des modernen Arbeitslebens und das Entstehen neuer Beschäftigungszweige vor allem im Dienstleistungssektor führten zu einer langsamen, unaufhaltsamen Erosion der festgefügten Milieus. Weil die Auflösung der industriellen und gesellschaftlichen Strukturen nicht nur soziale Folgen zeigte, sondern auch mit dem Schwinden traditioneller politischer Vertretungsmacht einherging, stemmten sich die führenden SPD-Leute mit aller Kraft dagegen, dem Wandel die Hand zu reichen. Die meisten ahnten zwar, dass in der digitalen Welt die Veränderungen und Umwälzungen nicht mehr aufzuhalten waren. Aber man wollte entweder nichts davon wissen oder den ganzen Prozess wenigstens so lange wie möglich hinauszögern.
    Gegen diese Beharrungskräfte musste Clement als Ministerpräsident regieren. Er war deshalb froh, in Steinbrück einen Mitkämpfer und Geistesverwandten zu finden. Das Amt des Wirtschaftsministers, das Steinbrück 1998 übernahm, hatte zuvor einige wenige Monate in den Händen von Bodo Hombach gelegen. Auch er zählte zu den Leuten, die ganz nach Clements Geschmack waren: zupackend, ideenreich und, wenn es sein musste, rücksichtslos. Der gelernte Fernmeldetechniker hatte sich auf dem zweiten Bildungsweg über die Postgewerkschaft bis in die erste Reihe der Landespolitik durchgekämpft. Hombach galt als genialer Wahlkampfmanager und Gestalter politischer Botschaften. Der identitätsstiftende Slogan »Wir in Nordrhein-Westfalen« stammte aus seiner Feder. Die entsprechende Kampagne dazu stellte in dem »Bindestrichland« erstmals so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Rheinländer und Westfalen her. Hombach, genannt der »Sultan von der Ruhr« (Tina Hildebrandt, DIE ZEIT , 48/2008), verfügt als Verlagsmanager und Moderator des Initiativkreises Ruhr bis heute über großen Einfluss. Als Landeswirtschaftsminister hingegen vermochte er keine Spuren zu hinterlassen – er war damals vollauf damit beschäftigt, Gerhard Schröder als Berater und »Spin Doctor« im Wahlkampf gegen Helmut Kohl zu dienen. Außerdem half er der SPD, das noch unklare Konzept der »neuen Mitte« und der »Modernisierung« in greifbare Politik zu übersetzen. Nach dem klaren Wahlsieg im Herbst 1998 holte Schröder seinen Berater Hombach als Chef des Kanzleramts in die rot-grüne Bundesregierung.
    Nach dem Ruhrsultan zieht also ein Nordlicht ins Düsseldorfer Wirtschaftsministerium ein. Dort ist Steinbrück lediglich aus seiner Zeit als Büroleiter von Rau bekannt, und so wird auf den Fluren anfangs skeptisch gefragt, wie ernst man denn den »Kofferträger vom alten Chef« nehmen müsse. Doch die Zweifler werden schnell eines Besseren belehrt. »Der Zwilling von Clement« (Jürgen Zurheide im Tagesspiegel , 26.10.1998) macht in Nordrhein-Westfalen genauso weiter, wie er zuvor in Schleswig-Holstein aufgehört hat. Äußerlich freundlich, aber hart in der Sache, vertritt er in NRW die Interessen der Wirtschaft – oft genug gegen die Widerstände der Grünen, die auch in Düsseldorf der SPD als Koalitionspartner dienen.
    Von Anfang an zeigt Steinbrück der Umweltpartei, wo seiner Meinung nach der Hammer hängt. Er könne es nicht leiden, wenn in einem Land mit Strukturproblemen und hoher Arbeitslosigkeit eine »Politik auf Wolke sieben« betrieben werde, lässt er die Grünen gleich zu Beginn wissen. Und mit bedrohlichem Unterton fügt er hinzu, dass er in Kiel »dieses Konfliktmuster ja schon einmal erlebt« habe. »Wer die Spielregeln einer globalisierten Wirtschaft ignoriert, der meldet sich aus der wirtschaftspolitischen Debatte ab.«
    Das wird zu Recht als unverhüllte Warnung an die Grünen und die Sozialromantiker in den Reihen der SPD verstanden. Aber desgleichen erhalten die Unternehmer zwischen Aachen und Paderborn bei Steinbrücks Start eine unmissverständliche Ansage – die gleiche übrigens wie zuvor in Schleswig-Holstein: Eine Förderpolitik »mit

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