Steinbrück - Die Biografie
Minister für Wirtschaft und Verkehr musste Steinbrück das umstrittene Projekt durchziehen. In der Folge wurden etliche Straßen, ja sogar ganze Autobahnabschnitte verlegt. Dafür waren aufwendige Planungen erforderlich, die das grüne Umweltministerium unter Führung von Bärbel Höhn nach Kräften zu verhindern oder aufzuhalten suchte. Es entwickelte sich ein zähes Tauziehen zwischen den beiden Ressorts. Die verbissen geführten Kämpfe erinnerten Beobachter an die »Stellungskriege« im Ersten Weltkrieg: Sie forderten viele Opfer, brachten aber keinen Geländegewinn.
Bis schließlich Wolfgang Clement der Kragen platzte und er mit brutaler Entschlossenheit die Koalitionsfrage stellte. Für ihn war klar: Lieber eine Neuwahl riskieren, als auf die beschlossene Erweiterung des Braunkohletagebaus zu verzichten. Zumal sich die SPD im Kohleland NRW an drei Fingern ausrechnen konnte, dass sie eher besser als schlechter aus einer solchen Neuwahl hervorgehen würde. Die Grünen hätte man nämlich im ganzen Land als Industriefeinde und Arbeitsplatzvernichter hinstellen können. Außerdem bestand aus Sicht von Clement und Steinbrück ja immer noch die Möglichkeit, gegebenenfalls mit der FDP zu koalieren. Die Liberalen waren zumindest wirtschaftsfreundlicher eingestellt als die Grünen.
Doch so weit sollte es gar nicht erst kommen. Bärbel Höhn und ihre Partei hatten die verfahrene Lage mit ähnlichen Ergebnissen analysiert wie Clement und knickten schließlich ein. Die Aussicht, nach nur kurzer Regierungszeit wieder auf den harten Bänken der Opposition zu landen, war für die Umweltpartei noch unerfreulicher als der Verzicht auf ihren unermüdlichen Kampf gegen die Braunkohle.
Steinbrück selbst war allerdings nur 16 Monate dafür verantwortlich, Garzweiler II und andere Infrastrukturprojekte gegen die Grünen durchzukämpfen. Dann stand sein Wechsel ins Finanzministerium an. Fast wäre seine Zeit als Wirtschaftsminister in NRW noch kürzer ausgefallen, denn bereits im September 1999 wollte Gerhard Schröder ihn unbedingt in sein Kabinett nach Berlin holen. Er bot ihm den Posten von Bundesverkehrsminister Franz Müntefering an, der sein Regierungsamt aufgegeben hatte, um nach dem Rückzug des Parteilinken Ottmar Schreiner die Bundesgeschäftsführung der SPD zu übernehmen. Schröder wertete diesen Posten später begrifflich auf: Von da an trugen die Manager der SPD den Titel »Generalsekretär«. Schröder fragte mehrfach bei Clement nach, ob er Steinbrück nicht ziehen lassen wolle, aber der Ministerpräsident, selbst in höchsten Personalnöten, legte sich quer.
Steinbrück hätte zwar liebend gerne den Ruf in die Bundespolitik angenommen, sah aber ein, dass er seinen Freund und politischen Zwilling Clement nach einer so kurzen Zeit in Düsseldorf nicht schon wieder im Stich lassen konnte. Wie richtig diese Entscheidung war, sollte sich nur fünf Monate später erweisen. Gleich zu Beginn des Wahljahrs 2000 trat Finanzminister Heinz Schleußer zurück, was die rot-grüne Landesregierung erneut ins Wanken brachte. Steinbrück, inzwischen erprobt als »Feuerwehrmann« und »politische Allzweckwaffe«, sprang sofort ein und übernahm das Finanzministerium.
Schleußer musste gehen, weil er sich in der »Düsseldorfer Flugaffäre« in immer tiefere Widersprüche verwickelt hatte. Hintergrund dieses Skandals waren die zahlreichen Reisen, die Johannes Rau und sein langjähriger Vertrauter Schleußer mit der Firma Privat-Jet-Charter (PJC) unternommen hatten. Diskret beglichen wurden die teuren, teilweise stark überhöhten Rechnungen von der Westdeutschen Landesbank.
Zu ihren besten Zeiten eines der größten Kreditinstitute Deutschlands, stand die WestLB 20 Jahre lang unter dem Kommando von Friedel Neuber. Der als »roter Pate« oder schlicht als »die Macht vom Rhein« bezeichnete Banker hatte sich über eine politische Karriere im Landtag bis ganz nach oben an die Spitze der Landesbank gekämpft. Dort half er der NRW-SPD, ihre Standortpolitik zu finanzieren und den Übergang der Wirtschaft von der Schwerindustrie zu zukunftsfähigeren Strukturen zu begleiten. Aber auch zur Union pflegte Neuber beste Kontakte. Fusionen wie die von RWE und VEW oder von Hoesch und Krupp fielen ebenso in seine Amtszeit wie der Aufbau der LTU am Düsseldorfer Flughafen oder die Übernahme von Horten durch die Metro.
Nicht alles jedoch gelang dem hemdsärmeligen Banker. Der Umbau der Babcock Borsig AG beispielsweise endete in der
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