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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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der goldenen Mohrrübe« könne es wegen der angespannten Haushaltslage nicht geben, stellt der neue Minister klar. Das ist sicher deutlich, indes nicht besonders originell. Selbst Peer Steinbrück erfindet eben nicht jeden Tag die Welt aufs Neue. Und zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass Steinbrück wie alle anderen Politiker recht gut von der ständigen Wiederholung einprägsamer Sprüche und Begriffe lebt.
    Steinbrück schätzt seine Düsseldorfer Position sehr. Als Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr im bevölkerungsreichsten Bundesland laufen die wichtigsten Fäden für eine moderne Infrastruktur- und Wirtschaftspolitik bei ihm zusammen. Betrachtet man seinen Regierungsstil, dann hat er in gewisser Weise das »Zettelkastensystem« aus der Kieler Studentenzeit auf sein späteres Politikmanagement übertragen. Er stellt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sachgebieten her, aktualisiert ständig seinen Fundus an Wissen und versucht, in ressortübergreifenden Strukturen zu denken. Vor allem das Zusammenspiel zwischen der Technologieförderung und der anwendungsgetriebenen Forschung an den Hochschulen hat er in NRW als Nährboden für die Gründung neuer Unternehmen und Wirtschaftszweige verstanden und ausgebaut.
    Die erste Kraftprobe mit den Grünen in Düsseldorf lässt nicht lange auf sich warten. Deren starke Figur ist zu dieser Zeit Landesumweltministerin Bärbel Höhn. Die hochintelligente Diplom-Mathematikerin verbindet mit Steinbrück die Kampfeslust und die Herkunft aus dem Norden. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten der beiden auch schon. Höhn überprüft mithilfe eines wachsenden Behördenapparats alle Industrie- und Verkehrsprojekte in NRW auf ihre Umweltverträglichkeit. Im geschickten Zusammenspiel mit Naturschutzverbänden, betroffenen Anwohnern und einer entsprechend kritisch eingestimmten Lokalpresse versteht sie es dabei recht gut, jedem größeren Bauvorhaben im Land gleich den Anschein einer drohenden Umweltkatastrophe zu verleihen.
    Steinbrück bringt das auf die Palme, ebenso seinen Ministerpräsidenten Clement. Es dauert nicht lange und die Koalition gerät in schweres Fahrwasser. Während in Bonn das soeben begonnene »rot-grüne Projekt« eine neue Ära nach Kohl einläuten soll, gibt es einige Kilometer rheinabwärts ständig Streit zwischen den Koalitionären. Als größter Zankapfel erweist sich ein Braunkohletagebau bei einem Ort namens Garzweiler. Dieses zwischen Aachen und Neuss gelegene Gebiet entstand 1983 als Großtagebau durch den Zusammenschluss bereits bestehender Abbaufelder. Da die qualitativ hochwertige Braunkohle hier nur wenige Meter unter der Oberfläche liegt, wird sie seit Jahrzehnten abgebaggert und vom Energiekonzern RWE zur Stromproduktion genutzt. Im Gegensatz zur wesentlich tiefer liegenden Steinkohle kommt die Braunkohle ohne öffentliche Subventionen aus.
    Das Schürfen im Tagebau ist seit jeher ein profitables Geschäft. Da in der Gegend um Garzweiler noch Reserven von 1,3 Milliarden Tonnen vorhanden sind, wurde einige Jahre zuvor eine signifikante Erweiterung der Abbaufläche unter dem Projektnamen Garzweiler II beschlossen. Allerdings müssen dafür ganze Ortschaften umgesiedelt werden. Zwölf Dörfer und 7600 Einwohner sind von dem Vorhaben betroffen. Häuser, Schulen, Straßen, Kirchen – ganze Gemeinden tragen die riesigen Baggerschaufeln ab. Für die Menschen bedeutete das, ihre Heimat und ihre von Kindesbeinen an vertraute Umgebung für immer zu verlieren. Außerdem werden bei der Erschließung eines Tagebaus riesige Löcher in die Landschaft gerissen und Tausende Hektar Natur zerstört. Zwar hat RWE es stets geschafft, die abgebaggerten Krater anschließend in ausgedehnte Seen und Naherholungsflächen zu verwandeln, doch stellt diese Renaturierung in den Augen der Naturschützer nur die nachträgliche, oberflächliche »Begrünung« einer im Kern zerstörten Landschaft dar. Und für die betroffenen Bewohner ist selbst der schönste Baggersee kein Ersatz für das verlorene Heimatdorf.
    Die nordrhein-westfälischen Grünen solidarisierten sich nun mit den Dorfbewohnern im Gebiet von Garzweiler II und stemmten sich mit aller Macht gegen die Erweiterung des Tagebaus. Der grüne Landtagskandidat in dem Gebiet erhielt 40 Prozent der Stimmen. Der BUND kaufte dort eine große Obstwiese, um vor Gericht als klagebefugter Betroffener auftreten zu können. Die Auseinandersetzungen zogen sich über Jahre hin und beschäftigten alle Instanzen.
    Als

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