Steinbrück - Die Biografie
anderen Themen: dem Länderfinanzausgleich und der Neustrukturierung der angeschlagenen Landesbank. Die WestLB war nämlich zwischenzeitlich wegen Fehlspekulationen und ihrem überhasteten Ausbau in Turbulenzen geraten. So gut Steinbrück später als Bundesfinanzminister die Krise um die Pleitebank Hypo Real Estate (HRE) und die bedrohte Commerzbank meistern sollte, so wenig gelang es ihm als Landesfinanzminister, bei der Sanierung der WestLB einen Durchbruch zu erzielen. Die Zeit reichte einfach nicht aus, zumal sein erstes Jahr in der Schleußer-Nachfolge ganz im Zeichen des Landtagswahlkampfs stand.
Die Wahl 2000 endete schließlich mit einem erneuten, wenngleich glanzlosen Sieg der SPD. Bemerkenswert fiel allerdings das Ergebnis der FDP aus, die sich von 4,8 Prozent auf fast 10 Prozent steigern konnte. Trotzdem wagte Clement es nicht, den Wechsel zu den erstarkten Liberalen zu vollziehen. Was vor allem mit dem sprunghaften und exaltierten Wesen von Jürgen Möllemann zusammenhing, der die FDP in Nordrhein-Westfalen zwar zu neuer Größe geführt hatte, aber als unberechenbar und populistisch galt. Außerdem tendierte die Stimmung an der sozialdemokratischen Basis eher in Richtung Rot-Grün. Die Vorbehalte gegen die FDP waren einfach zu groß, um sie ignorieren zu können. Also entschied sich Clement schweren Herzens für die Fortführung des von ihm und Steinbrück so wenig geliebten Bündnisses mit Bärbel Höhns Grünen.
Zwar startete die neue Landesregierung mit viel Schwung, jedoch folgten den Ankündigungen meist keine Taten. Clement, der rastlose Exjournalist, sorgte jeden Tag für Schlagzeilen. Ständig präsentierte er neue Projekte und Ideen. Nicht zu Unrecht erntete er dafür Kritik von der Opposition. Als Regierungschef war er schließlich nicht für spektakuläre Forderungen, sondern für konkrete Ergebnisse zuständig. Eines der vielen Negativbeispiele war der von Clement groß angekündigte »Kampf gegen die Geißel der Bürokratie«. Er berief dafür Kommissionen ein, organisierte mit Beteiligten aus Wirtschaft und Politik mediengerechte »Bürokratiegipfel«, doch die Resultate ließen auf sich warten. Auch die von Clement erfundenen »Leuchttürme« strahlten weniger hell als erhofft. Gemeint waren damit Vorhaben wie etwa die »NRW Medien GmbH« oder die »Projekt Ruhr GmbH«. Viele der stolz angekündigten »Denkfabriken« erwiesen sich als nutzlos oder litten an einer deutlichen Diskrepanz zwischen Nutzen und Kosten.
Die landeseigene Wirtschaftsförderung produzierte ebenfalls Schlagzeilen. Der Grund dafür waren nicht etwa spektakuläre neue Industrieansiedlungen, sondern diverse Machenschaften, die sogar einen Untersuchungsausschuss beschäftigten. Eines konnte man Clement allerdings nie vorwerfen: Dass er Veränderungen nicht mutig anpackte und zu wenig Ideen produzierte. Sein Problem bestand darin, dass er von den vielen Dingen, die er anfing, zu wenig zu Ende brachte.
Trotz der gemischten Bilanz von Wolfgang Clement fand der Bundeskanzler Gefallen an ihm, denn er hielt bereits Ausschau nach Leuten für eine zweite rot-grüne Legislaturperiode. Nach dem Umzug des Kanzleramts vom Rhein an die Spree regierte Gerhard Schröder jetzt in Berlin im »Basta-Stil«. In dem vorwärtsdrängenden NRW-Ministerpräsidenten erkannte er sein Alter Ego und einen wirtschaftsfreundlichen, resoluten Kandidaten für das Amt des Wirtschaftsministers, der ihm dabei half, die in Grundzügen bereits erkennbare »Agenda 2010« gegen den absehbaren Widerstand der SPD durchzuboxen. Nachdem Schröder die Bundestagswahl 2002 erneut gewonnen hatte, holte er den »Modernisierer« Clement als Superminister für Wirtschaft und Arbeit nach Berlin. In dieser Rolle entwickelte sich dieser zum energischen Vollstrecker der ungeliebten »Hartz-Reformen«, was ihn von der SPD entfernte und wohl auch die Grundlage für sein späteres Zerwürfnis mit der Partei legte.
Steinbrück wurde 2002 recht früh von Schröder über den bevorstehenden Wechsel Clements in die Bundespolitik informiert, damit er sich darauf vorbereiten konnte, in Düsseldorf den Job des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Der gebürtige Hamburger war erst überrascht und anschließend einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Konnte er, das Nordlicht, hier an Rhein und Ruhr den knapp 18 Millionen Menschen mit starkem Hang zum Lokalpatriotismus wirklich als glaubwürdige Identifikationsfigur dienen? Steinbrück hatte in den letzten zehn Jahren in drei
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