Steinbrück - Die Biografie
wichtigste Minister. Diese Bilderbuchkarriere wies nur einen einzigen Schönheitsfehler auf und der wurde Schartau schließlich zum Verhängnis: Niemand hatte daran gedacht, ihm bei seinem Weg in die Politik ein Landtagsmandat zu verschaffen. Das nämlich fordert die Landesverfassung in NRW von jedem, der sich anschickt, Ministerpräsident zu werden.
Clement war diese Besonderheit der Landesverfassung erst aufgefallen, als er sich wegen des bevorstehenden Wechsels nach Berlin mit der Regelung seiner Nachfolge in Düsseldorf beschäftigte. Doch da war es für Harald Schartau bereits zu spät. Auf die Schnelle ließ sich für ihn kein Landtagsmandat aus dem Hut zaubern. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass Clement seinen politischen Seelenverwandten Steinbrück ohnehin bevorzugt hätte. Und es dürfte ihm nur recht gewesen sein, den Gesinnungsgenossen allein deshalb ohne größere Widerstände durchsetzen zu können, weil der klare Parteifavorit Schartau aus formaljuristischen Gründen nicht infrage kam.
Steinbrück wurde also mit den Stimmen der rot-grünen Landtagsmehrheit am 6. November 2002 zum Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslands gewählt. Er war klug genug, den verhinderten Regierungschef Schartau anschließend zum Superminister für Wirtschaft und Arbeit zu ernennen. Damit kopierte er den Aufgabenzuschnitt, den Schröder für Clement in Berlin ersonnen hatte. Da Schartau gleichzeitig Landesvorsitzender der SPD blieb, stieg er zur starken Figur im Kabinett auf. Es gab nicht wenige, die aufgrund der Machtverteilung sogar von einer »Doppelspitze« Steinbrück – Schartau sprachen, die sich bestens ergänze. Hier der Technokrat, da der Arbeiterversteher, einer mehr für die Krise, der andere mehr zum Anfassen – eine optimale Mischung aus Brillanz und Bodenständigkeit. Doch es gab auch Eifersüchteleien und Misstrauen zwischen den beiden, Missverständnisse und echte Meinungsunterschiede. Sprüche des neuen Ministerpräsidenten wie »Jeder Job ist besser als keiner« stießen dem früheren Gewerkschafter sauer auf.
Steinbrück und seine neue Regierung erben ein Land mit zahlreichen Baustellen. Clement hat viel hinterlassen, aber wenig fertiggestellt. Also macht sich der neue Ministerpräsident vom Start weg an die mühsame Aufgabe, begonnene Projekte entweder abzuschließen oder abzuschießen. Letzteres gilt für viele von Clements »Leuchttürmen« und »Denkfabriken«, die sich einfach als zu teuer und zu uneffektiv erweisen. Steinbrück ackert sich durchs Land, arbeitet Punkt für Punkt ab und gefällt sich darin, statt großer Versprechungen lieber kleine Erfolge zu produzieren. Ein bisschen mehr Ganztagsschule und erheblich mehr Bildungsausgaben stehen ganz oben auf seiner Liste. Es folgen Projekte wie das Logistikzentrum in Duisburg-Ruhrort, dem größten Binnenhafen Europas. Er setzt die Privatisierung und Erweiterung des Flughafens Düsseldorf durch, hilft beim Bau des Technologieparks Dortmund und bildet ein Cluster innovativer Firmen rund um die RWTH Aachen, die führende technische Hochschule des Landes. Als neuer Ministerpräsident rennt er nicht wie Clement in Siebenmeilenstiefeln durchs Land, sondern verkleinert die Schritte. Dadurch gelingt ihm vieles, und im Gegensatz zum Vorgänger lässt er nichts mehr fallen, was er einmal angefasst hat. Steinbrück wird schnell als »Reformmotor« gelobt und als »ein Clement, der die Dinge zu Ende bringt« ( Die Welt , 9.4.2003).
Aber der gute Start als Ministerpräsident wird bald getrübt durch dunkle Wolken, die bedrohlich am politischen Horizont aufziehen. In Berlin braut sich Ungemach zusammen, weil Schröder nicht nur die ungeliebten Hartz-Reformen gnadenlos durchpeitscht, sondern auch seine große Steuerreform vorziehen will. Das würde sowohl beim Bund, als auch in den Ländern zu erheblichen Einnahmeausfällen führen. Insgesamt soll die Steuerreform ein Volumen von 17 Milliarden Euro umfassen. Steinbrück hält es für »illusorisch«, diese Summe über den Abbau von Subventionen einzusparen.
Im Sommer 2003, als er gerade einmal ein gutes halbes Jahr in NRW regiert, legt er sich fest. Entschlossen kündigt Steinbrück als einziger sozialdemokratischer Ministerpräsident im Bundesrat eine strikte Blockade gegen den Plan der Bundesregierung an, die Steuerreform vorzuziehen. Dabei greift er Kanzler Schröder ganz persönlich an. Dieser betreibe in Berlin ohne jede Abstimmung mit den Ländern eine »egomane Politik« (
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