Steine der Macht - Band 5
Vorsehung sprechen.
Die beiden setzten sich auf einen Holzstamm, nur wenige Meter neben dem Fluss.
Das leise Plätschern der Wellen und zuweilen das Kreischen der über dem Wasser kreisenden Möwen verlieh der Situation ein schon fast romantisches Flair. Becker war wie immer schwarz gekleidet und sah deshalb irgendwie mystisch aus. Er begann:
„Ihre Frage sollte nicht lauten, ob dies alles Zufälle seien, welche in den letzten Jahren mehr oder weniger ihr gesamtes Leben bestimmten. Nein, sie sollten sich eher darüber Gedanken machen, weshalb diese sogenannten ‚Zufälle‘ ausgerechnet Ihnen ‚zufallen‘.“
Wolf schaute den Illuminaten etwas irritiert an, als dieser schon weitersprach.
„Am besten erkläre ich Ihnen das Wirken dieser Kraft mit einem Zitat von Goethe. Er war ein Genie und hatte die Zusammenhänge allen Seins sehr rasch erfasst und zum Teil auch allegorisch in seinen Werken niedergeschrieben.“
Becker zog ein kleines Blatt Papier aus der Tasche seiner Jacke und gab es Wolf. Darauf stand:
In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch.
Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und materielle Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte.
Was immer Du kannst, beginne es.
Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie.
Johann Wolfgang von Goethe
Wolf hielt den Zettel fest in der Hand, so, als wäre er etwas sehr Wertvolles. Er studierte das Papier und las die Zeilen mehrere Male. Jetzt begann er zu verstehen.
Immer wenn er etwas begonnen hatte, dann war er voll Begeisterung mit Leib und Seele dabei gewesen. Ob es das Studium der Astrologie war, das Goldschmieden oder seine Suche in Ägypten, seine Pilotenausbildung und schließlich die Beschäftigung mit dem Mysterium des Untersberges. Und immer kamen ihm dann die vermeintlichen Zufälle zu Hilfe. Informationen und auch materielle Mittel, er erhielt alles zur richtigen Zeit.
Und nun stand das, was alles erklärte, mit wenigen Sätzen auf diesem Blatt Papier.
Wolf fehlten die Worte. Becker schaute ihn an und sagte:
„Verstehen Sie jetzt? Nichts ist dem Zufall überlassen und Ihr ausdauerndes Streben wurde und wird unterstützt von der universellen Kraft, welche alles erhält.“
Da gibt es noch ein Zitat von Goethe, das dem nahekommt:
… Wer immer strebend sich bemüht
Den können wir erlösen
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen
Becker sprach diese Worte von Goethe mit einem ehrfurchtsvollen Ton und blickte Wolf dabei ernst an.
Das klang sehr nach den Rosenkreuzer-Lehren, welche ihm schon vor vielen Jahren vermittelt wurden. Der damalige Logenmeister, der Apotheker Roland, hatte ihm schon vor langer Zeit etwas Ähnliches zu erklären versucht. Damals hatte er wohl dessen Worte vernommen, aber nicht das, was damit gemeint war. In der Rückschau wurde ihm nun auch verständlich, weshalb alles so kommen musste.
Er hatte früher auch schon mit Linda, der Lehrerin, über diese gehäuften sogenannten Zufälle gesprochen und Linda hatte ihm auch schon recht interessante Ansätze aufgezeigt, aber so direkt und so einfach war es ihm noch von niemandem dargestellt worden.
Da fiel ihm noch etwas ein, auch Hitler hatte ja oft von der „Vorsehung“ gesprochen, welche ihn angeblich leitete und beschützte. Bestimmt war aber Hitler kein Verehrer von Goethe gewesen, von dem hatte er das also nicht.
Becker fuhr fort:
„Ja, diese Kräfte der Vorsehung, ausgelöst durch einen unbändigen Wunsch, eine Begeisterung, ein Charisma, dienen nicht nur dem guten Zweck. Nein, ebenso kann und wird dieses Prinzip auch von der Gegenseite ausgenutzt, aber das wissen Sie ohnehin.“
Wolf nickte.
„Sie haben die Auswirkungen dieser Macht schon am eigenen Leib erfahren und sie eben als Zufälle abgetan, aber Sie können sich auch in Zukunft auf Hilfe bei Ihren Vorhaben verlassen.“
Irgendwie hatte Wolf nun ein bisschen Angst vor dem, was er noch alles zu erwarten hätte. Becker hatte ja eigentlich immer Recht gehabt. Wahrscheinlich auch diesmal.
Und wenn diese dunklen Kräfte, die ja bereits massiv am Werk waren, sich ebenso der Macht der Vorsehung bedienen würden, dann …
Wolf wollte
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