Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
wissen wollte, worum es sich bei dem Gerät handelte.
Schließlich kamen sie über einen kleinen Waldweg exakt zu der Stelle, an der sich die Aufgangstreppe zu Hitlers Berghof befunden hatte. Wolf brachte das Chronoskop wieder in Stellung, und bereits nach wenigen Versuchen konnte er ein reges Treiben sehen. Der Berghof war ein stattliches Gebäude. Er sah viel imposanter aus als auf alten Bildern. SS-Leute jeden Ranges, Männer in Zivil, die ihm nicht bekannt waren, und auch Frauen konnte er sehen. Dann kam plötzlich ein Mann mit einem langen, dunklen Mantel über die Stiege herunter, Wolf musste ganz genau hinsehen. Ja, das war Adolf Hitler mit seinem Schnauzbart. Er schien irgendetwas zu einem hinter ihm gehenden Offizier zu sagen und kam dabei immer näher auf Wolf zu und ging schließlich direkt durch ihn hindurch.
„Das gibt es doch nicht!“, meinte Wolf zu Weber gewandt. „Da, sehen Sie sich das an!“ Er drehte das kleine Rad wieder ein ganz klein wenig zurück, damit sich der Obersturmbannführer diese Szene ebenfalls ansehen konnte. Schlagartig nahm Weber Haltung an und wollte schon die rechte Hand zum Gruß ausstrecken, als er von Wolf durch einen sanften Zug am Stromkabel des Chronoskops wieder in die Gegenwart zurückgeholt wurde. Weber stammelte: „Ich habe den Führer nur wenige Male persönlich getroffen, und nun ist er direkt durch uns hindurchgegangen.“
„Ja, so ist das nun mal mit der Zeitverschiebung, man muss jemandem nicht unbedingt sehr nahestehen, um ihm trotzdem sehr nahe zu kommen“, konterte Wolf, und Weber verstand anscheinend nicht ganz den Sinn dieser Worte. Er gab das Chronoskop wieder Wolf in die Hände und wirkte immer noch ein wenig durcheinander.
„Jetzt werden wir uns den Angriff der Alliierten ansehen, dem kann ich dann auch das genaue Datum zuordnen.“ Er drehte ein wenig an den beiden Rädern, und tatsächlich konnte Wolf die Vernebelungsaktionen am Obersalzberg und im Anschluss auch die Bombenflugzeuge im Anflug sehen. Der Himmel wurde regelrecht dunkel. Wie durch eine Wolke verdüsterte sich die Landschaft, und da ja das Chronoskop keine Töne übertragen konnte, kamen die Flieger mit ihrer tödlichen Last völlig lautlos über die noch schneebedeckten Berggipfel. Es war der 25. April 1945.
Wolf drehte wieder etwas an dem kleinen Rad, da detonierte eine Fliegerbombe direkt vor ihm. Vor Schreck hätte er beinahe das Gerät fallen gelassen. Absolut realistisch erlebte er den Einschlag, genau so, wie es ihm General Kammler auf der Felsterrasse gesagt hatte.
Als sie ein Stück weitergingen und abermals den Berghof durch das Chronoskop ansehen wollten, war plötzlich alles schwarz und gar nichts mehr zu sehen. Wolf glaubte schon an eine Fehlfunktion des Geräts, als Weber meinte:
„Vermutlich war früher an der Stelle, an der wir uns gerade befinden, eine Mauer oder ein finsterer Keller.“
„Schon möglich“, sagte Wolf und nahm seinen kleinen Laser aus der Tasche. „Dann werde ich eben einmal durch das Chronoskop hindurchleuchten, vielleicht sehen wir dann etwas.“
Er schaltete für einen kurzen Moment den Laser ein, richtete ihn auf das linke Okular und schaute mit einem Auge durch das rechte. Unmittelbar danach wurde es heller, und Wolf konnte einen beleuchteten Raum sehen, in dem zwei Uniformierte mit Maschinenpistolen im Anschlag hastig herumgingen. Es war so, als ob die beiden den Laserpunkt wahrgenommen hätten. Nochmals drückte er auf den Einschaltknopf des kleinen Lasers und leuchtete damit auf die Wand vor den beiden Soldaten. Jetzt konnte er den hellen Punkt selbst auch sehen. Wieder liefen die beiden, ihre Waffen im Anschlag, wie wild im Raum hin und her und suchten offenbar nach der Quelle des Lichtpunktes. Für Wolf war jetzt klar, dass sie das Licht an der Wand ebenfalls gesehen haben mussten.
Aber wie sollte das möglich sein? Mit diesem Chronoskop konnte offensichtlich ein Laserstrahl in eine ferne Vergangenheit gelenkt werden. Der General wusste das vermutlich gar nicht.
Wolf hatte da eine Idee. Mit einem stärkeren Laser und einem Hologramm-Vorsatz könnte man möglicherweise ein dreidimensionales Bild in die Vergangenheit schicken. Eine Botschaft sozusagen. Dazu brauchte er aber die Mithilfe des Generals. Er müsste ihm nochmals die Gelegenheit geben, mit diesem Gerät zu experimentieren.
Mittlerweile war es auch schon an der Zeit, den Obersturmbannführer mit dem Chronoskop wieder zum Untersberg zurückzubringen.
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