Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
vorne auf den Boden von Wolfs Wagen stellen. Sie fuhren die Straße in Richtung Berchtesgaden bis zur Abzweigung zum Ettenberg, wo Wolf in den schmalen Weg dorthin einbog. „Als Erstes möchte ich mir die alte Ruine der Templer Komturei dort oben ansehen.“
Weber hatte nichts dagegen einzuwenden, und zehn Minuten später standen sie bereits vor dem uralten, verfallenen Gemäuer. Weber steckte den Akku an das Chronoskop, und Wolf drehte an dem größeren der beiden Räder, während er durch das Glas schaute.
Er konnte zwar nicht sehen, in welche Vergangenheit er gerade blickte, aber als er nach einigen Umdrehungen nur noch dichten Wald anstelle der Mauern sah, wusste er, dass er zu weit zurückgedreht hatte. Jetzt bewegte er das Rad wieder nach vorne, jedoch viel langsamer, und er machte dabei immer wieder eine kurze Pause. Schneebedeckte Stellen wechselten sich mit Nacht und Gewitter ab, dazwischen immer wieder sonnendurchflutete Waldlichtungen. Plötzlich sah er, wie der Wald gerodet wurde und kräftige Männer Mauern aus Steinen errichteten. Es waren bärtige Männer in einfachsten Gewändern, sie schichteten Stein auf Stein und brachten dazwischen eine Art Mörtel an. Wolf drehte weiter, da stand dann auf einmal ein ansehnliches Gebäude mit Stallungen, und es hatte sogar einen kleinen Turm. Die Bewohner, von denen man einige vor dem Haus sehen konnte, waren hell gekleidet, mit einem Kreuz auf ihren Umhängen. Vermutlich waren es Tempelritter. Wolf wollte sich im Inneren der Komturei etwas umsehen und bedeutete Weber, dass er ihm mit dem Akku folgen sollte. Sie gingen zwischen Gebüschen und den Überresten der Mauern hindurch.
Jetzt konnte er sogar in die Küche sehen. Es war eine einfache Feuerstelle mit einem Kessel und einem darüber liegenden Loch in der Decke, das als Rauchabzug fungierte. Wolf erschrak, als einer der Bewohner direkt auf ihn zuschritt und quasi durch ihn hindurchzugehen schien.
Er ging mit Weber wieder nach draußen an die Straße, wo ihr Wagen abgestellt war. Natürlich konnte Wolf durch das Gerät die asphaltierte Straße nicht sehen. Damals gab es nur einen schmalen Pfad neben dem Gebäude. Ein Bewohner mit Umhang führte gerade ein Pferd zum Stall. Wolf ließ Weber ebenfalls einen Blick durch das Gerät werfen, und dieser meinte: „Das dürfte in der Ritterzeit sein, so um fünfzehnhundert?“
„Möglich“, meinte Wolf, der ja bereits von der Geschichte wusste, nach der der Tempelritter Hubertus angeblich im dreizehnten Jahrhundert diese Komturei errichten ließ.
Jetzt hatte er Gewissheit, dass dieses einstige Gemäuer tatsächlich von den Templern erbaut worden war. So gerne er sich auch noch weitere Einzelheiten der Komturei und ihrer Bewohner angesehen hätte, sie mussten sich dennoch beeilen. Schließlich wollten sie ja auch noch zum Obersalzberg hinauf. Wolf dachte mit Wehmut daran, dass sich ein Besuch der nahen Höhle, in welcher sich die beiden schwarzen Steine auf dem Sockel befanden, unmöglich realisieren lassen würde. Zu gerne hätte er nämlich gesehen, wer die beiden Steine dort hineingelegt hatte. Zum einen war der Weg zum Höhleneingang hinauf mit dem Chronoskop fast unmöglich zu bewältigen, und zum anderen fehlte ihnen auch die Zeit dazu. Sie stiegen also wieder in Wolfs Wagen und fuhren los.
Nach einer halben Stunde waren sie auf dem Obersalzberg angekommen. Die Straße dort hinauf war seit ihrer Erbauung nicht viel verändert worden. Zudem kannte Wolf auch die ehemaligen Standorte fast aller wichtigen Gebäude.
Beim Hotel Zum Türken blieben sie dann stehen, und Wolf musste am Chronoskop wieder weit nach vorne drehen. Er sah den Bau des Hauses, das damals noch völlig anders aussah als jetzt in der Gegenwart. Dann konnte er den Straßenbau sehen und die Errichtung des kleinen Postenhäuschens. Die Hakenkreuzfahne hing kurz darauf am Gebäude des Reichssicherheitsdienstes, und Offiziere in dunkler Uniform gingen dort ein und aus. Rege Bautätigkeit war ebenfalls festzustellen, Lastwagen voll mit Abbruchmaterial sah man immer wieder vor dem Haus vorbeifahren.
„Kommen Sie, wir gehen ein Stück hinunter zu den Ruinen des Berghofes“, sagte Wolf zu Weber. Ein paar Touristen, die sich am Vormittag die Bunkeranlagen unter dem Hotel ansehen wollten und soeben aus ihrem Wagen stiegen, schauten erstaunt auf den Obersturmbannführer, der den Akku am Kabel hinter Wolf hertrug. „Das ist eine Wärmebildkamera“, sagte dieser zu den Leuten, als ein junger Mann
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