Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
letzten Besuch erzählt, dass Sie eine seltsame Entdeckung gemacht haben und mir erst später darüber berichten könnten. Da ich nun wieder hier in Luxor bin, wollte ich Sie unbedingt besuchen. Können Sie mir schon etwas Näheres sagen?“
„Sie werden sich bestimmt vorstellen, dass unser Freund Hamam auch hinter dieser Sache her ist. Ich werde ihm aber keine Informationen zukommen lassen“, meinte Rassul und ging zu einem Schrank, aus dem er einen Gegenstand nahm, welcher in ein Tuch gewickelt war.
„Das hier“, sagte Rassul, „ist einer von sieben Steinen, die wir in einem tiefen Gang unter den Grabkammern in diesem Haus entdeckt haben.“ Er öffnete das Tuch, und ein schwarzer, runder Stein, der fast genauso aussah wie derjenige, den Wolf vor vielen Jahren in der Felsenkammer der Cheopspyramide gefunden hatte, lag vor ihnen.
„Dieser Gang, in dem wir die Steine gefunden haben, sieht anders aus als die Zugänge zu den Grabkammern. Er dürfte auch sehr viel älter sein, und dennoch steht am Beginn des Gangs ein Zeichen der Göttin Sechmet. Ich habe es sofort erkannt. In einem Abstand von etwa drei Metern lagen dann die Steine auf kleinen Sockeln. Am Ende des Ganges war dann eine Art Mastaba.“ Wolf erklärte Silvia: „So nennt man in der Ägyptologie sogenannte Scheintüren, welche wie ein Relief im massiven Felsen einen Eingang andeuten, den es gar nicht gibt.“
Rassul fuhr fort, zu erzählen: „Das wäre an sich gar nichts Außergewöhnliches. Doch diese Mastaba, diese Scheintür, war wirklich eine Tür.“
Rassul goss den Tee aus der Kupferkanne in die bereits auf dem Tisch stehenden Tassen.
Wolf schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Was heißt ‚wirkliche Tür‘? Wie meinen Sie das? Eine Mastaba ist doch nur eine in den Stein gemeißelte Nachbildung einer Tür, ein Abbild sozusagen.“
„Zuerst dachten wir das auch. Doch vor dieser Scheintür lag der letzte, der siebente schwarze Stein auf einem Sockel. Einer meiner Brüder war damals als Erster in dem Gang. Er ist ganz zurückgegangen und wollte sich nach dem letzten Stein bücken. Ich war nur einige Meter hinter ihm und konnte sehen, wie er sich mit der linken Hand an der Mastaba abstützen wollte. Er fiel direkt in die Tür hinein, in die Tür, die es ja gar nicht gab. Ja, es war als wäre er direkt in die Felswand hineingestürzt. Der schwarze Stein, den er aufheben wollte, kollerte von seinem Sockel und lag nun am Boden des Gangs. Sekunden später war ich mit meiner Lampe an der Stelle, wo mein Bruder soeben in der Scheintür verschwunden war. Ich tastete alles ab, aber da war nur massiver Fels, und nichts deutete darauf hin, dass hier irgendwo eine Öffnung sein könnte. Mein Bruder blieb verschwunden. Ich konnte das ja nicht einmal bei den Behörden melden. Wer hätte mir das schon geglaubt?“
„Rassul, haben Sie diese schwarzen Steine noch alle?“, fragte Wolf.
„Ja“, antwortete Rassul, „wer würde für diese einfachen Steine auch nur ein Pfund ausgeben? Drüben, hinter dem Totentempel von Medinet Habu am Rand der Berge, findet man solche Steine doch zu Hunderten.“
Er stand auf, ging nochmals zum Schrank und legte sechs weitere Steine, welche ebenfalls in Tücher gewickelt waren, auf den Tisch.
Silvia schaute interessiert auf die schwarzen Steine.
„Welches war der siebente Stein? Jener, der vor der Mastaba gelegen hat?“, fragte Wolf.
„Dieser hier“, erwiderte Rassul und deutete auf den ersten Stein, den er schon zuvor aus dem Schrank genommen hatte.
„Können wir in den Gang hinuntergehen? Ich glaube, ich weiß jetzt, was dort unten passiert ist“, sagte Wolf.
„Wenn Sie möchten. Ich habe genug Lampen hier. Also kommen Sie.“
Rassul schloss die Türe seines Hauses von innen ab und schob zusätzlich einen Riegel vor. Dann rückte er einen Schrank, welcher an der hinteren Wand des Raums stand, zur Seite. Dahinter war ein Loch im Mauerwerk zu sehen. Es war ein niedriger Eingang direkt in den Berg.
„Gib jedem von uns zwei dieser schwarzen Steine in die Tasche. Den siebenten gib mir auch, den trage ich zusätzlich mit hinunter“, sagte Wolf zu Rassul.
Dieser verteilte die Steine und fragte Wolf: „Was haben Sie damit vor?“
Wolf erwiderte: „Ich habe da so eine Vermutung, wir werden ja sehen.“
Rassul hatte inzwischen drei Lampen in der Hand und ging als Erster gebückt in den kleinen, versteckten Eingang hinein. Silvia und Wolf folgten ihm. Es ging zuerst ein Stück geradeaus, dann mussten sie
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