Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
über eine schmale Leiter einige Meter nach unten klettern.
„Jetzt befinden wir uns beim Zugang zur ersten Grabkammer. Hier drinnen haben wir voriges Jahr einen sorgfältig wieder verschlossenen Schacht entdeckt, den wir aufgebrochen haben.“ Er deutete dabei nach rechts, wo ebenfalls eine Leiter aus einem dunklen Loch herausragte. „Wir mussten damals wochenlang viele Säcke mit Schutt herauftragen, um dort hinunterzugelangen.“
Wolf spürte jetzt förmlich den Staub, der dabei entstanden sein musste, und durch die stickige, warme Luft tief unter der Erde in dem engen Gang kam bei ihm plötzlich ein beklemmendes Gefühl auf, welches sich auch auf Silvia zu übertragen schien. Trotzdem folgten die beiden Rassul, der bereits in dem tiefen Schacht verschwunden war. Unten angekommen sahen sie ein Relief der Sechmet, das in die Felswand gemeißelt war. Von dort aus führte ein sauber ausgehauener Gang in den Berg hinein.
Die Worte, die der Künstler Bard aus der Oase Farafra voriges Jahr vorgelesen hatte, gingen Wolf in diesem Augenblick durch den Kopf:
„Ich bin Sechmet, die Rache ist mein, ich stehe über der Zeit …“
„Legen Sie Ihre Steine auf die Podeste, auf denen sie sich früher befunden haben“, rief Wolf Rassul zu, welcher schon tiefer im Stollen war.
„Auch du, Silvia, lege auch du deine beiden Steine auf die leeren Podeste, wenn du dort bist.“
„Was soll das alles, was für einen Hokuspokus willst du hier unten machen?
Weshalb sollen wir die Steine wieder auf ihre Sockel legen? Macht das irgendeinen Sinn?“ Wolf stellte sich gerade das spöttische Lachen in Silvias Gesicht vor, das er aber von hinten gar nicht sehen konnte. Aber zufrieden stellte er fest, dass sie zumindest tat, was er von ihr verlangte. Jetzt kam auch Wolf zu den noch leeren Podesten legte wie die anderen seine schwarzen Steine darauf.
Jetzt standen die drei vor der Mastaba. Im Licht der drei Lampen konnten sie die Scheintür sehr gut sehen. Es war eine schöne Arbeit. Wolf nahm nun den letzten, den siebenten Stein aus der Tasche und legte ihn mitten auf den kleinen Sockel, welcher sich vor der Mastaba befand. Es geschah nichts. Wolf blickte sich um und sah Silvia lachen. „Na, hast du geglaubt, dass jetzt etwas geschehen wird, nachdem die Steine wieder auf ihren Plätzen sind?“ Sie schüttelte den Kopf und wollte etwas sagen, hielt aber im gleichen Moment wieder inne. Wie gebannt schaute sie auf den Rand der Mastaba. Jetzt konnte auch Wolf sehen, dass sich dort ein Spalt befand. Das hatte Rassul damals, als sein Bruder verschwand, einfach übersehen. Jetzt aber, im starken Licht der drei Lampen, war der schmale Spalt klar zu erkennen. Das hier war offenbar eine Drehtür. Wolf versuchte, neben dem Spalt auf die Türe zu drücken. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schwenkte die Steinplatte ein Stück nach innen, schloss sich aber sofort wieder. Das funktionierte jedoch nur, wenn im linken Drittel dagegengedrückt wurde. Das Ganze wurde durch einen ausgeklügelten Mechanismus ausgelöst, der wohl die Zeiten überdauert haben durfte. „Wieso ist mir das damals, als mein Bruder verschwand, nicht aufgefallen? Ich habe doch auch gegen diese Türe gedrückt. Sie hat sich keinen Millimeter gerührt“, sagte Rassul.
Wolf erwiderte: „Sie haben vermutlich in der Mitte oder auf der rechten Seite
Druck ausgeübt. Man muss aber ganz links drücken, dann lässt sie sich kurz öffnen, um sogleich wieder zuzufallen.“
Jetzt versuchte auch Rassul, das Tor, hinter dem sein Bruder verschwunden war, zu öffnen. Es funktionierte auch bei ihm, nur fiel die Tür immer sehr schnell wieder zu.
„Hineingehen möchte ich da nicht, wer weiß, ob sich das Tor von innen überhaupt öffnen lässt?“, sagte Wolf.
„Außerdem wissen wir ja auch gar nicht, wie es da drinnen weitergeht“, erwiderte Silvia. Rassul meinte noch, dass er später mit geeignetem Werkzeug wiederkommen würde, um nachzusehen, was hinter dieser Drehtüre verborgen war. Sie machten sich also wieder auf den Rückweg, und Wolf fragte Rassul noch, ob er sich einen der schwarzen Steine als Andenken mitnehmen dürfe. „Ja, nehmen Sie sich einen von den Steinen, verkaufen kann ich die ohnehin nicht.“
Als sie wieder aus Rassuls Haus herauskamen, blendete sie der helle Sonnenschein, und Silvia meinte: „Neugierig wäre ich schon, was sich hinter dieser Tür befindet. Und vor allem, was mit dem Bruder von Rassul geschehen ist. Der Arme ist sicher dort drinnen ums
Weitere Kostenlose Bücher