Steine der Macht: Das Isais-Ritual am Untersberg (German Edition)
sehr merkwürdig.“
Tino kam dann tatsächlich nach Österreich, und Wolf holte ihn vom Flughafen ab. Da Linda wieder einmal für einige Tage auf einer Städtereise mit ihren Freundinnen unterwegs war, kam Silvia zum Airport mit, und sie bereiteten Tino, dem österreichischen Auswanderer, einen herzlichen Empfang. Sie zeigten ihm einige Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Mit der Seilbahn fuhren sie auf den Gipfel des Untersberges, besichtigten mit ihm den gegenüberliegenden Obersalzberg und auch die Stätten, zu denen sie auch schon mit dem General gefahren waren. Aber abwechselnd waren später auch Linda, Herbert und Elisabeth dabei, als Wolf mit ihm in den Bergen herumfuhr. Schließlich besuchten sie noch die über einhundert Kilometer entfernte Wolfshütte, die mit fast zweitausend Metern Seehöhe noch um einiges höher lag als der höchste Punkt des Untersberges. Der Australier war tief beeindruckt von der Schönheit der Bergwelt. Am meisten berührte Tino aber die Gegend um den Ettenberg, wo der Sage nach im Jahre 1222 der Tempelritter Hubertus auf Geheiß der Isais den Schwarzen Stein versteckt hatte. Tino war den Tränen nahe, als er zum ersten Mal bei der Marienkirche aus dem Wagen stieg. Der alte Rosenkreuzer wusste, dass hier der Platz der Isais war.
„Wir werden morgen Abend ein Ritual in der Isais-Kapelle neben dem Teich durchführen“, sagte er zu Wolf. Zwei Freunde aus Deutschland, die extra wegen Tino nach Salzburg gekommen waren und auch die Polizistin Elisabeth sollten mit dabei sein. „Du als Rosenkreuzermeister wirst das Ritual zusammenstellen“, bat er Wolf.
„Siehst du, es ergibt sich alles von selbst, so wie es der Mönch in der Schlucht gesagt hat. Außerdem habe ich gerade von Tino erfahren, dass wir sechs Leute sein werden. Zwei Frauen und vier Männer, da bietet sich ein Ritual nach dem Gesetz des Dreiecks geradezu an. Seine beiden Freunde aus Deutschland und Elisabeth bilden das erste Dreieck. Tino und ich werden uns an der Basis des zweiten Dreiecks befinden. Du bildest dann den Abschluss und stehst direkt vor dem Altar in der alten Kirche.“
Linda wirkte bei diesen Worten von Wolf etwas geschockt. Noch nie hatte sie bei einem Ritual mitgewirkt und noch dazu in einer Kirche. Und jetzt sollte sie sogar die wichtigste Rolle bei so etwas spielen.
Der nächste Abend kam, und sie alle trafen sich vor der Pension, in welcher Tino sein Quartier hatte. Am Nachmittag hatten sie bereits mit den Besitzern der kleinen Kirche vereinbart, dass dort das Ritual durchgeführt werden durfte.
Einer der Besitzer, ein Mann mittleren Alters, gab Tino den großen, uralten Schlüssel in die Hand, und der Australier öffnete damit die schwere Eisentüre an der Rückseite der Kirche und anschließend auch den vergitterten Eingang zum Innenraum. Die sechs betraten ehrfürchtig das alte Gotteshaus. Tino verteilte noch die Textblätter des Rituals an alle, und Wolf stellte die Personen an ihre Plätze. Elisabeth hielt den Schwarzen Stein aus der Cheopspyramide und Linda, die wie eine Hohepriesterin vor dem Altar stand, nahm den Kristall in ihre linke Hand. So bildeten die sechs Leute zwei ineinander verschlungene Dreiecke. Mittlerweile kamen die Bewohner des Nachbarhauses ebenfalls in die Kirche. Sie setzten sich in die Gebetsbänke und warteten auf den Beginn des Rituals. Wolf gab den Einsatz, und einer nach dem anderen las den seitenlangen Ritualtext. Draußen schoben sich dunkle Wolken über den Bergkamm. Das Licht in der Kirche wurde düster.
Als Linda, die als Letzte den Text zu sprechen hatte, an der Reihe war, kam plötzlich ein großer Wolfshund in die Kirche, schritt langsam zwischen den Ritualteilnehmern hindurch direkt auf Linda zu und blieb vor ihr stehen. Der Hund hob seinen Kopf, so als würde er zu heulen beginnen. Er senkte ihn aber sogleich wieder, machte kehrt und verließ das Gotteshaus. Ganz klar war aber zu erkennen, dass Lindas Hand, mit der sie den Amethyst hielt, leicht zu zittern begann.
Die letzten Zeilen, ein kurzes Isais-Gedicht, rezitierten dann alle sechs gemeinsam im Chor.
Die Leute vom Nachbarhaus hatten im Anschluss an dieses Ritual noch Fragen über Isais und die Legende vom Schwarzen Stein. Wolf versuchte, so gut er es in der Kürze vermochte, Auskunft zu geben und von den alten Überlieferungen zu erzählen.
Tinos Wunsch war hiermit in Erfüllung gegangen. Wolf fragte sich, ob das jetzt auch die Aktivierung des Untersberges bedeuten würde, von welcher der
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