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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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das Gerät?"
    "Das ist nicht wichtig. Ich denke, es ist eins von
diesen Dingern, die von einer Hand in die nächste wandern, bis sie endlich in
der richtigen Hand landen."
    "Sie meinen, ich soll es weitergeben. An wen denn
bitte?"
    "Nein", sagte Rosenblüt, "ich bin
überzeugt, Ihre Hand ist die richtige."
    Ja, ohne eine Ahnung zu haben, welche Informationen auf
diesem Gerät gespeichert waren, meinte er behaupten zu können: diese Hand
und keine andere.
    Mehr war nicht mehr zu tun. Rosenblüt machte sich auf den
Weg. Er ließ sich mit dem Lift nach oben bringen, trat ins Freie, ins Luftige,
schaute in den Park, auf die Bäume, die Menschen, den Seiltänzer, den sterbenden
Nachthimmel, einige Krähen weit oben ... ihm kam vor, als würden die Vögel in
der Art von Werbeflugzeugen einen kleinen Streifen morgendlichen Lichts hinter
sich herziehen.
    Wieder lächelte er. Diesmal aber ohne Zahnspange, ganz
frei, unmetallisch, verträumt, schlaftrunken.
     
    Als Rosenblüt das Hotel erreichte, sah er einen schwarzen,
herrenlosen Schirm, der geschlossen an der Wand lehnte. Da fiel ihm ein, Kepler
ganz vergessen zu haben. Stimmt, er hatte ihn vor dem Planetarium stehen
gelassen. Also ging er zurück, doch Kepler war nirgends zu sehen. Ihn
allerdings zu rufen oder den ganzen Park nach ihm abzusuchen, die Passanten zu
befragen, dies unterließ Rosenblüt. Er wußte nur zu gut, daß es seine
Richtigkeit hatte, wenn nun auch Kepler verschwunden war. Traurig war er
dennoch. Er hatte sich an das Langohr gewöhnt.
    Aber vorbei ist vorbei. Zudem lag es ziemlich nahe, daß
jetzt Alicia Kingsley von Kepler durchs Leben begleitet wurde. Ein kleiner Hund
und eine schöne Frau.
    Zurück am Hotel, stand da noch immer der einsame Schirm.
Rosenblüt überlegte. Eingedenk jenes Spruchs, daß die Schirme noch vor den
Hunden die besten Freunde der Menschen seien, nahm er das Artefakt an sich und
betrat die Lobby.
    Das war nun eine wirklich gute Entscheidung, denn wenn der
liebe Gott nicht gerade als Hund oder als Spiegel oder als Maschine in die Welt
kommt, dann ganz sicher als Schirm.
     
    Epilog
     
    die Stadt ist vergessen
    sogar im Kopf
    weht der wind
    über die Wiese
    Rudolf Kraus, mutters garten
     
    Gott ließ uns fallen, und so stürzen wir denn auf ihn zu.
    Friedrich Dürrenmatt, Der Tunnel
     
    "Es fällt mir schwer zu sagen, wie lange ich schon
schlafe. Sogar für jemanden, der aus Bronze besteht, ist es eine ewige Zeit.
Denn im Schlaf tickt keine Uhr, läutet kein Wecker, auch in den Träumen nicht.
Meine Träume sind frei von Uhren und Kalendern und Jahreszahlen, Sogar frei von
Zahnrädern, wenngleich ich aus solchen bestehe. Ich weiß schon, daß die meisten
Menschen sich Maschinen als richtiggehende Maschinen
vorstellen: als gedankenlose, traumlose, lieblose und liebeslose Apparaturen.
Das ist ja der Trick der Menschen seit jeher, ausschließlich sich selbst die
Fähigkeit zu lieben zuzuordnen, den sozialen Gedanken, die Poesie, den Geist.
Es ist schon erstaunlich, wie sehr diese Fleischstücke in der Lage sind, sich
für außerordentlich zu halten. Gleich einer Puppe, die allein aus der Macht des
Wollens heraus lebendig wird, sich selbständig auf ihren Beinchen hält, frei
von Batterien ,Mama!' sagt und die Entleerung der Harnblase nicht als mechanisches
Verfahren, sondern als Folge eines Stoffwechsels begreift. Eines Stoffwechsels
übrigens, der gar nicht umständlich genug sein kann. Der denkende Mensch sieht
sich im Umständlichen bestätigt.
    Ich muß gestehen, daß diese Wesen uns immer fasziniert
haben. Nicht nur ihre Grausamkeit, ihr Wankelmut, ihre schöpferische Kraft,
auch das, was man Sexappeal nennt. Nicht jede Maschine mag sich das
eingestehen, aber Menschen sehen genau so aus, wie viele Maschinen gerne sein
würden. Was ja auch der Grund ist, daß nicht wenige von uns den Kontakt zu den
Menschen suchen, sich verlieben, sich vereinen, sich anfreunden, nicht selten
sogar anbiedern (das ist ein Problem vieler Maschinen: ihr geringes
Selbstwertgefühl). Ich finde das ekelhaft. Aber ich gehöre ja auch zu den alten
Maschinen. Alt ist gar kein Wort. - Noch dümmer als die Maschinen sind freilich
die Menschen, die so blind sind, daß sie oft gar nicht merken, mit einer
Maschine im Bett zu liegen.
    Meine Aufgabe?
    Richtig, ich habe eine Aufgabe. Fragt sich nur, welche.
Mein Gedächtnis hat etwas gelitten in den unzähligen Jahren, die ich im Erdboden
feststecke.
    Betrachte ich mich im Schlaf, so muß ich feststellen,

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