Steinfest, Heinrich
Fund
machte. Wobei die Grabung unabhängig von der geplanten Großbaustelle erfolgte.
Vielmehr war sie notwendig geworden, da im Bereich nahe dem Planetarium der
Boden einzubrechen drohte und dies sowohl eine Gefahr für das Gebäude des "Sternentheaters"
wie auch für die Parkbesucher darstellte. Vermutungen machten die Runde, die
Instabilität des Erdreichs, die aufgetretenen Risse und Löcher seien auf
vormalige Probebohrungen zurückzuführen. Die Projektbetreiber wiederum
beteuerten, in keiner Weise für die gefährliche Beschaffenheit des Untergrunds
verantwortlich zu sein, ja mit Hilfe der geplanten Betonwanne für den
Tiefbahnhof werde man diese und andere Gefahren endlich und endgültig
beseitigen.
Wie auch immer, man war gezwungen, die problematische
Stelle abzuriegeln und unter den Argusaugen einer zu jeder Tages- und Nachtzeit
anwesenden Bevölkerung den Erdboden auszuheben. Diesen Argusaugen und auch den
zahlreichen Medienvertretern - die gewissermaßen ihre Kameras vom Himmel
genommen hatten, dort, wo Mach gewesen war, und sie nun hinein in die Erde
gerichtet hielten, in die Hölle, wenn man so will -, diesen Augen und Kameras
war es also zu verdanken, daß öffentlich wurde, daß der Arbeitstrupp im
Erdreich auf mehrere menschliche Körper gestoßen war. Nicht bloß auf Knochen
alter Vorfahren, sondern auf frische Leichname.
Der Verdacht, daß dort unten ein geheimes Labor gewesen
war, welches im Zuge einer groben Panne eingestürzt war, wurde in keiner
Sekunde ausgesprochen. Das wäre nun doch zu irreal gewesen, hätte zu sehr nach
Hollywood geschmeckt. Andererseits erinnerte man sich augenblicklich an Machs
Äußerungen bezüglich einer Maschine, die da angeblich in der Erde des
Schloßgartens vergraben sei.
Doch der eigentliche Schock für die Bevölkerung ergab sich
in erster Linie daraus, daß man neben den sechs toten Männern, die man
geborgen hatte und deren Namen in keinem Moment publik wurden, auch eine junge
Frau fand, deren Obduktion ergab, daß sie schwanger gewesen war. Eine
Information, die ebenfalls nie an die Öffentlichkeit hätte dringen sollen. -
Aber war das nicht sowieso das grundlegende Prinzip der ganzen S-21-Geschichte?
Das An-die-Luft-und-ins-Licht-Kommen von Dingen, die in keiner Weise für eine
Allgemeinheit bestimmt waren. Das Hochkommen von explosiven Gasen.
Die Politik war ständig gezwungen, auf diese explosiven
Gase zu reagieren, sie zu verniedlichen oder umzuinterpretieren. Auch im Falle
der Toten im Schloßgarten. Alsbald wurde verlautbart, es habe sich bei den
sieben Personen um eine Gruppe von Aktivisten gehandelt, welche versucht
hätte, mehrere Stollen zu graben, um solcherart eine Besetzung des
unterirdischen Bereichs vorzunehmen. So wie eben andere in den Bäumen saßen
oder Zufahrtswege blockierten oder auf Seilen balancierten, nur, daß in diesem
Fall eine noch viel effektivere Art der Okkupation vorgelegen hatte: das
Sicheingraben in die Erde. Doch offensichtlich war einer dieser von Dilettanten
gefertigten Hohlräume eingebrochen und hatte die gesamte Gruppe verschüttet.
Der Umstand, daß die tote Aktivistin schwanger gewesen war, galt Behörden wie
Medien als Beweis, wie verantwortungslos manche Parkschützer eigenes und
fremdes Leben aufs Spiel setzten.
Allerdings existierte daneben eine inoffizielle Meldung,
nach welcher sämtliche Leichname in beträchtlicher Tiefe gefunden worden
seien. Zudem bestanden keinerlei Beweise für ein von Demonstranten gegrabenes
System aus Stollen oder Erdlöchern. Dennoch, die Polizei blieb dabei, selbst
als merkwürdige Fotos auftauchten, auf denen eine Maschine zu sehen war, eine
Maschine, die ihrerseits etwas Embryonales zu beherbergen schien, was dann
erneut den Aussagen des österreichischen Seiltänzers Wolf Mach eine gewisse
Bedeutung verlieh.
"Werden wir jetzt alle verrückt?" hatte einer
der Zeitungskommentatoren gefragt.
Ein Leser hatte zurückgefragt: "Sind wir das nicht
schon längst?" Ein anderer Leser hatte gemailt: "Ihr schon, ich
nicht." Ein nächster reagiert: "Das glaubst du ja selbst nicht, du
dumme Nuß."
Es wurde viel geschrieben in dieser Zeit.
Abspann:
Die Menschen, die Tiere, die Schirme,
ihr Schicksal, ihr Ende und ihr Anfang
In dem Moment, da Hans Tobik hatte
erkennen müssen, daß man ihm auf die Spur gekommen war, seine Identität kannte
und in Stuttgart zu wenig unsichtbare Räume existierten, um sich lange genug
verstecken zu können, war er gezwungen gewesen, eine
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