Steirerblut
zum Sonntagsbrunch zu verabreden. Zum Glück hatte Andrea Zeit für sie. Sandra brauchte dringend jemanden, der sie wieder aufmunterte. Sie legte auf und schlug den Weg in die Innenstadt ein.
Kapitel 4
Sonntag, 19. September
Es war kurz nach halb elf, als Sandra an diesem strahlenden Sonntag auf der Sonnenterrasse ihres Grazer Stammlokals Platz nahm, um ein ausgiebiges Frühstück, ein Kännchen ihres Lieblingstees und die fröhliche Art ihrer Freundin zu genießen. Kaum hatte sie Andrea vom misslungenen Abend mit Max und den noch viel unerfreulicheren Begegnungen mit ihrer Familie berichtet, fühlte sie sich deutlich besser. Und spätestens nach Andreas unterhaltsamen Schilderungen jener Party, die sie vor zwei Tagen besucht hatte, war die Welt wieder in Ordnung. Zumindest für diesen einen wunderbaren Vormittag. Sandra tat es unendlich gut, Zeit mit der Freundin zu verbringen, mit ihr zu lachen und nicht an St. Raphael und den Fall Kovacs denken zu müssen. Wenigstens bis zum Nachmittag, den sie dafür verwenden musste, die Artikel der ermordeten Journalistin noch einmal gründlich durchzuackern. Die Liste der potenziellen Täter und deren möglicher Motive, die sie und Bergmann am Freitagabend begonnen hatten, sollte im Idealfall am nächsten Morgen vollständig sein. Bergmann hatte ebenfalls versprochen, die ihm zugeteilten Artikel bis dahin zu überprüfen, damit sie die nächsten Ermittlungsschritte mit dem Kollegen vom Bundeskriminalamt gleich in der Früh abstimmen konnten. Ein gewisser Dr. Christian Novotny hatte sich als Leiter der SOKO zur Gruppenbesprechung angekündigt. Und Sandra wollte einen möglichst kompetenten Eindruck bei ihm hinterlassen.
Zu dumm, dass der Laptop der Kovacs noch immer nicht aufgetaucht war. Die mutmaßlich unsauberen Geschäfte des Paul Kovacs hätten Sandra brennend interessiert. Doch es war ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis sie Näheres über den angeblichen Immobilienskandal erfahren würden. Verfolgten die Kollegen von der Wirtschaftskriminalität erst einmal eine Spur, würde sich der Korruptionsverdacht gegen Kovacs relativ rasch erhärten oder – was ihr in diesem Fall intuitiv eher unwahrscheinlich erschien – in Luft auflösen. Um einen Mundhöhlenabstrich würde Paul Kovacs sowieso nicht herumkommen. Und ob Mikes DNA mit jener des Täters identisch war, würde sich in vier bis fünf Tagen herausstellen. Schneller war da nichts zu machen. Das Bauchgefühl ließ Sandra befürchten, dass das DNA-Gutachten beide Verdächtigen entlasten würde und sie bei ihrer Suche nach dem Täter wieder ganz am Anfang stünden. Alles andere wäre auch viel zu einfach gewesen.
Kapitel 5
Montag, 20. September
Bevor Sandra aufbrach, packte sie noch rasch ein paar frische Kleidungsstücke in ihre Reisetasche. Für den Fall, dass die Ermittlungen sie wieder nach St. Raphael führen würden. Oder vielleicht sogar ins Bundeskriminalamt in Wien, was ihr bedeutend lieber gewesen wäre. Wie so oft hatte sie um jede Minute, die sie noch länger im Bett liegen bleiben konnte, mit sich gerungen und kam schließlich, ohne gefrühstückt zu haben, aber fast pünktlich kurz nach acht Uhr im Büro an.
Bergmann saß bereits an seinem Schreibtisch und starrte in den Laptop, als sie ihm einen guten Morgen wünschte.
»Morgen«, brummte er, das obligate Kaffeehäferl fest umklammert. Er sah müde aus, war unrasiert und seine Frisur erinnerte an einen Uhu nach dem Waldbrand. Was immer er am Wochenende unternommen hatte, es hatte ganz offensichtlich nicht zu seiner Erholung beigetragen.
Sandra hängte ihre Jacke auf den Garderobenständer, und erkannte im Umdrehen die nackten Tatsachen auf seinem Monitor. Sie war versucht, ihn zumindest innerlich als perverses Schwein zu beschimpfen, als ihr einfiel, dass sein neuerlicher Besuch auf dem einschlägigen Sexpartnerportal wahrscheinlich ihren Ermittlungen diente. Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, bestätigte sich ihre Vermutung: »Sieh dir mal an, wen ich hier gefunden habe«, meinte Bergmann heiser und winkte sie zu sich, während er mit dem Mausrad die Seite hinunterscrollte.
»Das ist doch …« Sandra stand der Mund offen, als sie den Mann auf dem Foto erkannte.
»Mike Feichtinger alias ›Womanizer‹«, vervollständigte Bergmann ihren Satz.
»Hatten sie etwa … Kontakt? Mike und die Kovacs …?«, wollte Sandra nach einigen Schrecksekunden wissen.
Bergmann nickte und klickte eine Seite weiter. »Zumindest hatten
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