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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Rossbacher
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die wie eh und je über die meisten Dorfbewohner herzog. Wenigstens vergaß sie darüber, Sandra zu kritisieren. Das Beste am Mittagessen war jedoch, dass Mike sich nicht blicken ließ. Nach der gestrigen Einvernahme sei er lieber mit Freunden unterwegs, anstatt mit seiner Familie am Tisch zu sitzen, erklärte die Mutter. Sandra lege doch ohnehin keinen Wert auf seine Gesellschaft. Und überhaupt. Es sei eine Schande, wie sie den Bruder verhört habe. Wie einen Vergewaltiger und Mörder. Die Mutter wischte sich eine unsichtbare Träne aus dem Augenwinkel.
    Sandra hatte sich zu früh gefreut. Jetzt war sie also doch noch an der Reihe, von der Mutter kritisiert zu werden. Mikes Abwesenheit beglückte sie jedoch derart, dass sie die Vorwürfe großzügig überhörte. Den Apfelstrudel, den die Mutter angeblich extra für sie aus selbst gezogenem, hauchdünnem Strudelteig zubereitet hatte, lehnte sie dankend ab. Ganz ohne schlechtes Gewissen, wusste sie doch, dass diese Mehlspeise zu Mikes Favoriten, aber nicht zu den ihren zählte. Hätte die Mutter der Tochter eine besondere Freude bereiten wollen, wäre ein Topfenschmarren mit Preiselbeeren oder Heidelbeeren auf den Desserttellern gelandet, aber so blieb der ihre eben leer. Sandra war ohnehin längst satt und überlegte bereits, wie sie sich möglichst bald aus dem Staub machen konnte, während die Mutter immer noch keifend die Geschirrspülmaschine einräumte.
    »Du glaubst doch nicht wirklich, dass Mike mit dem Tod dieser Wienerin was zu tun hat?«, fragte Helga Feichtinger.
    »Ich weiß es nicht, Mama. Noch nicht. Wir ermitteln in alle möglichen Richtungen.«
    »Wenn du den Buam noch einmal hinter Gitter bringst, ich schwör dir, dann bring ich mich um.«
    »Lass das, Mama. Das zieht nicht bei mir .«
    »Du bist so was von eiskalt und herzlos«, beschwerte sich die Mutter mit weinerlicher Stimme, »wie dein Vater, der mich damals einfach mit dir schlimmem Pamperlatsch sitzen hat lassen.«
    »Ich glaube nicht, dass dieser Schritt so einfach für Papa war. Er wird wohl einen guten Grund gehabt haben, zu gehen.« Sandra kannte die Beweggründe ihres Vaters ganz genau und konnte diese sehr gut nachvollziehen. Niemand konnte mit ihrer Mutter ein glückliches Leben führen, außer vielleicht ihr missratener Sohn, der sich mit Mitte zwanzig immer noch von ihr durchfüttern ließ. Aber mit Mike hatte sie wahrlich kein Mitleid.
    Als die Tür der Geschirrspülmaschine mit einem lauten Scheppern zuflog, wusste Sandra, dass es höchste Zeit war, ihren Besuch zu beenden. »Ich muss jetzt nach Graz aufbrechen, Mama, zu einer Zeugenbefragung«, erklärte sie wahrheitsgemäß. Tatsächlich hatte sie sich vorgenommen, den letzten Termin, der im Kalender der Kovacs eingetragen war, noch am selben Tag zu überprüfen.
    »Von mir aus kannst du bleiben, wo der Pfeffer wächst! Aber wenn du mir Mike noch einmal wegnimmst, dann wirst du schon sehen!«, wurde die Mutter laut. Dabei war es ihr nicht zu blöd, der erwachsenen Tochter mit dem erhobenen Kochlöffel zu drohen, wie sie es früher immer getan hatte. Nur dass dieser seinen Schrecken für Sandra längst verloren hatte.
    »Schon gut, Mama. Ich geh dann besser mal. Danke fürs Essen, es war wie immer hervorragend.« Sandra drehte sich um und verließ die Küche.
    »Du undankbares Gfrast!«, rief ihr die Mutter hinterher.
    Hatte sie sich nicht eben ausdrücklich für das Essen bedankt? Eilig tauschte Sandra die Pantoffeln gegen ihre Schuhe ein, zog die Lederjacke an und ließ die Haustür von außen ins Schloss fallen. Nie wieder würde sie sich einen Anstandsbesuch bei der Mutter antun, schwor sie sich zum x-ten Mal in ihrem Leben. Äußerlich war sie völlig ruhig geblieben, das war im Vergleich zum letzten Mal schon ein Fortschritt. Aber innerlich fühlte sie sich wie das verletzte, ungeliebte Kind von früher. Auf dem Weg zum Auto, das nur wenige Schritte vom Feichtingerhaus entfernt parkte, liefen ihr bereits die Tränen über die Wangen. Sie konnte nichts dagegen tun. Erst als sie gute anderthalb Stunden später von der Schnellstraße auf die Autobahn auffuhr, hatte sie sich wieder gefasst. Ihre Hände zitterten nicht länger, das unwillkürliche Schluchzen hatte aufgehört, die Tränen waren versiegt. Eigentlich hätte sie in diesem Zustand gar nicht Auto fahren dürfen, aber sie konnte es einfach nicht erwarten, St. Raphael den Rücken zu kehren. Kurz vor Graz wählte Sandra die Nummer ihrer besten Freundin, um sich mit ihr

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