Steirerkind
dankbar für seine Entscheidung, ohne den leitenden Kriminaltechniker aufzubrechen. Auch sie wollte Siebenbrunner keine Sekunde länger um sich haben, als es unbedingt nötig war.
Bei der Garderobe angelangt, deutete Seitinger auf Bergmanns Sportschuhe.
»Die sind aber nicht für da draußen geeignet«, meinte er.
Bergmann zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm völlig gleichgültig, dass er gleich nasse Füße bekommen würde.
Nun verdrehte Sandra die Augen und wandte sich kopfschüttelnd ab. Als es darum gegangen war, ihr beim Kettenanlegen zu helfen, hatte sich der Chefinspektor wie eine Diva in Stilettos davor geziert, aus dem Auto auszusteigen. Genauso wie vorhin, als er sich den Weg vom Winterdienstmann freischaufeln hatte lassen, ehe er einen Fuß in den Schnee gesetzt hatte. Und jetzt spielte er den unerschütterlichen Helden. Dabei war der Schnee inzwischen sicher nicht weniger geworden, ganz im Gegenteil.
»Was hat sie denn nur?«, hörte Sandra seine scheinheilige Frage hinter ihrem Rücken, während sie in den Anorak schlüpfte.
Sie ersparte sich und den beiden ahnungslosen Kollegen in Uniform eine Antwort. Früher hätte sie sich abrupt umgedreht und Bergmann angeschnauzt. Jetzt biss sie sich lieber auf die Lippen und schwieg. Wie lange sie auch noch zusammenarbeiten mochten, eines war sicher: Sascha Bergmann würde eine ständige Herausforderung für sie bleiben.
*
Draußen wurden sie von den erwarteten Schneemassen begrüßt, obgleich der Niederschlag inzwischen nachgelassen hatte. Nur noch vereinzelt rieselten Flocken vom Himmel. Der Passat der LKA-Ermittler war lediglich an den Konturen zu erkennen. Erst recht die anderen Fahrzeuge, die schon längere Zeit dort parkten.
»Sie müssen uns nicht begleiten«, meinte Sandra, zu Johann Seitinger gewandt, »es reicht, wenn Sie uns den Weg zum Fundort und zur Leiche beschreiben.«
»Sind Sie sicher?«
»Sicher. Also, wo geht’s lang?«
»Sehen Sie die Bäume dort vorne? Gleich dahinter ist die Stelle. Passen Sie bloß auf, dass sie nicht durch das Loch in der Eisdecke in den See fallen.«
Sandra erkannte die Baumgruppe vom Video der Tatortgruppe wieder, obwohl der viele Schnee die Landschaft optisch verändert hatte.
»Das Loch ist doch aber mit unserem Absperrband markiert?«, vergewisserte sie sich.
»Das schon. Aber es wird bald finster.«
»Okay. Und wo ist die Leiche?«, wollte Sandra wissen.
»Dort hinten im Schuppen, gleich neben dem Haus«, sagte Barbara Grübler und kramte einen Schlüssel aus ihrer Hosentasche hervor. »Der hier ist für das Vorhängeschloss. Wir haben den Schuppen damit versperrt und obendrein versiegelt.«
»In Ordnung. Vielen Dank.« Sandra steckte den Schlüssel in die Innentasche ihres Anoraks und zog den Reißverschluss wieder zu.
»Und Sie brauchen uns ganz sicher nicht mehr?«, fragte Seitinger.
»Nein. Den Bestatter haben Sie verständigt?«
»Sicher.«
»Alles klar.«
»Falls noch etwas sein sollte, rufen Sie mich einfach an«, sagte Seitinger und verabschiedete sich.
Sandra ging voraus. Sie war heilfroh, dass sie ihre festen Stiefel mit den groben Profilsohlen angezogen hatte. Bergmann folgte ihr und versuchte, in ihre Fußstapfen zu treten. Dass ihm dies nicht ganz gelang und er den kalten, nassen Schnee hautnah zu spüren bekam, konnte Sandra an seinem Fluchen hören.
Selber schuld, dachte sie. Was zog er mitten im tiefsten Winter auch Sportschuhe an? Glücklicherweise konnte der Chefinspektor nicht sehen, wie ihr ein schadenfreudiges Grinsen entkam, obwohl auch ihr die Nässe nach wenigen Schritten knieaufwärts die Oberschenkel hinaufkroch. Hauptsache, ihre Füße blieben warm und trocken. Vorerst wenigstens.
*
Nachdem Sandra Mohr und Sascha Bergmann den Fundort und die Umgebung besichtigt hatten, stapften sie in der Dämmerung zurück zum Fischerwirt. Vor dem und am Haus brannte nun Licht. Sandra wunderte sich darüber, dass die Kollegen ihre Autos in der Zwischenzeit vom Schnee befreit hatten. Oder war das etwa der hilfsbereite Winterdienstfahrer gewesen, der gerade den Schnee von den Scheiben seines Räumfahrzeugs fegte?
Sie lächelte ihm zu, als er sich ihr zuwandte.
»Na? Geht’s jetzt wieder weiter?«, fragte sie und blieb stehen.
Bergmann stapfte stumm an ihnen vorbei, die Hände in seine Jackentaschen gebohrt.
»Ja, ich muss los. Wenn S’ hier fertig sind, könnten S’ mir gern wieder nachfahren«, schlug der Mann in Orange vor.
»Leider. Wir brauchen
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