Steirerkind
vielleicht auch den Direktor der Schule befragen, wie Wintersberger so als Trainer war. Zuerst aber Norbert Bachler, Tobias Autischer und Lukas Wintersberger. Dann noch die anderen Skifahrer, die mit im Blauen Engel waren. Nicht zu vergessen Fitzners Pokerfreund. Die beiden Amis sollten wir zumindest anschreiben«, zählte Sandra einen nach dem anderen auf.
Bergmann seufzte.
»Lass uns irgendwohin einen Kaffee trinken gehen, Miriams Dokumente runterladen und die nächsten Schritte besprechen«, schlug er vor.
»Essen sollten wir auch mal was.« Sandra knurrte schon länger der Magen. »Am besten hier in der Ramsau. In Schladming ist sicher schon die Hölle los, wegen der Eröffnungsfeier am Abend. Um 19 Uhr geht’s los.«
Sie steckte die Fotos zurück ins Kuvert.
»Lass uns rasch noch einen Blick in die anderen Zimmer werfen«, schlug sie vor, während Bergmann den Laptop des Opfers vom Netz nahm.
Weder in Roman Wintersbergers Schlafzimmer, noch in seinem Bad war irgendetwas zu entdecken, das die besondere Aufmerksamkeit der Ermittler weckte. Wenn es hier irgendwelche Spuren gegeben hatte, dann waren diese entweder von den Hausbewohnern entfernt oder von den Kollegen der Spurensicherung gesichert worden. Letzteres würde in der Fahndungsakte vermerkt sein.
»Traust du Irene Wintersberger den Mord an ihrem Mann zu?«, fragte Sandra, bevor sie den Weg nach unten antraten.
»Ja. Überhaupt, wenn ihr Lover ihr dabei geholfen hat. Bin gespannt, ob sein Alibi hält.«
»Habgier?«
»Wäre ein mögliches Motiv. Mal sehen, was die gute Frau so alles von ihrem verstorbenen Gatten erbt. Wir werden sie gleich auch noch fragen, ob sie über ein eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt.«
»Jedenfalls über kein Nennenswertes«, beantwortete Irene Wintersberger die Frage nach ihren persönlichen Finanzen. »Wir haben uns alles gemeinsam aufgebaut. Ich habe Roman den Rücken freigehalten. Ob er nun hier war oder nicht.«
Wenn es ums Vermögen ging, war sie also doch noch die Frau an seiner Seite gewesen, dachte Sandra.
Die beiden Espressotassen am Couchtisch waren inzwischen geleert. Der Liebhaber der Dame des Hauses hatte sich ins Schwimmbad im Kellergeschoss verabschiedet.
»Ich schreibe Bücher«, erzählte Irene Wintersberger weiter, »weil es mir Spaß macht, nicht, dass ich davon leben könnte.«
»Was denn für Bücher?«, wollte Sandra wissen.
»Ratgeber für Frauen. Lebenshilfe im weitesten Sinn.«
»Interessant«, sagte Sandra, ohne es zu meinen. Sie selbst hätte niemals zu einem solchen Ratgeber gegriffen. Wenn sie schon einmal psychologische Hilfe benötigte, wie es nach Mikes folgenschwerer Attacke der Fall gewesen war, suchte sie lieber den Beistand von Ärzten oder professionellen Therapeuten. Mit Küchenpsychologie hatte sie nichts am Hut. Dafür hatte sie viel zu viel Hochachtung vor dieser Wissenschaft.
»Haben Sie Psychologie studiert?«, erkundigte sie sich weiter.
»Nicht fertig. Lukas’ Geburt ist damals dazwischen gekommen. Seither bin ich Autodidaktin.«
»Wir wissen, dass der Laptop Ihres Mannes bereits überprüft wurde, aber dürften wir ihn trotzdem noch einmal mitnehmen? Außerdem seinen USB-Stick und dieses Kuvert mit Fotos?« Bergmann hob die Gegenstände demonstrativ ein wenig höher.
»Von mir aus«, meinte Irene Wintersberger.
»Und Sie wussten wirklich nicht, dass Ihr Mann mit ein paar Männern unterwegs war, bevor er verschwunden ist?«
»Nein. Aber ich hätte es mir denken können. Sicherlich war auch Tobias Autischer dabei.« Irene Wintersberger lächelte kryptisch.
»Ja, wieso?«
»Der Toby war doch seit jeher Romans erklärter Liebling. Wenn Sie verstehen, was ich meine …«
»Wollen Sie damit andeuten, dass Ihr Mann homoerotische Beziehungen pflegte?«, griff Bergmann die Anspielung als Erster auf.
»Das haben Sie gesagt. Aber wer weiß das schon so genau?«, ließ die Witwe die Frage im Raum stehen.
Bisher hatte sie von den Panscherln und Gspusis ihres Mannes gesprochen, was auf beiderlei Geschlechter zutreffen konnte, überlegte Sandra.
War Roman Wintersberger am Ende schwul gewesen? Hatte er sich womöglich mit seinen Schützlingen auf sexuelle Kontakte eingelassen?
Irene Wintersberger war nichts Konkretes mehr zu entlocken. Der Fall wurde wahrlich immer interessanter.
*
Kurz nach 17 Uhr kämpften sich Sandra und Bergmann nur mühsam durch die Menschenmenge in der Schladminger Fußgängerzone. Keine zwei Stunden vor der offiziellen
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