Steirerkind
Facebook Account, kein Twitter, nicht mal private E-Mails. Die letzten hat er am 23. Dezember am frühen Nachmittag versendet. Alle geschäftlich«, fuhr Miriam fort.
»Weißt du, was das für eine Weihnachtsfeier war, nach der Wintersberger verschwunden ist?«, erkundigte sich Sandra.
»Ja. Jetzt halt dich fest, das ist voll der Wahnsinn«, eröffnete Miriam begeistert. »Wintersberger hat sich mit einem Kollegen namens Norbert Bachler und ein paar Skirennläufern getroffen … Unter anderem mit Tobias Autischer«, fuhr sie nach einer kleinen Kunstpause nicht minder aufgeregt fort.
»Na ja, der Mann war Sportlicher Leiter beim ÖSV, und Tobias Autischer sein bestes Rennpferd im Stall. Außerdem stammt der junge Mann aus derselben Region wie er. Und er war von Kindesbeinen an sein Schützling.« Sandra verstand nicht, was an diesem Treffen so außergewöhnlich sein sollte.
»Das weißt du also schon … Aber hör mal, Tobias Autischer!« Miriams Stimme überschlug sich beinahe vor Begeisterung. Offenbar war sie ein großer Fan des jungen Skistars, der, zugegeben, auch ein optischer Leckerbissen war.
Bergmann grinste, während Sandra fortfuhr.
»Jetzt komm mal wieder runter, Miriam. Diese Promigeilheit musst du dir abgewöhnen. Die hat in unserem Beruf nichts verloren.«
Sandra hatte noch nie verstanden, warum sie mehr oder weniger prominente Zeitgenossen anhimmeln oder gar besser behandeln sollte als die übrige Menschheit. Sie machten auch nur ihren Job, aßen, tranken und schliefen genauso wie du und ich.
»Sorry«, meinte Miriam, »aber To…«
»Schon gut«, würgte Sandra die Entschuldigung der Kollegin ab, ehe diese erneut ins Schwärmen geraten konnte, »wo haben die Männer denn gefeiert?«
»Sagt dir der Blaue Engel was?«
»Marlene Dietrich?«
»Wer? Kenn ich nicht. Nein. Der Blaue Engel in Schladming. Das ist ein Nachtclub.«
Bergmanns Augenbrauen wanderten nach oben.
»Ach so, der Nachtclub, ja. An dem bin ich schon ein paar Mal vorbeigegangen. In der Nähe vom Stadttor, gell?«, meinte Sandra.
»Genau. Das ist so ein gestylter Poledance-Schuppen. Da soll in der Saison ziemlich die Post abgehen. Auch Männer tanzen dort an den Stangen.«
»Na sowas«, meinte Sandra trocken. Ganz ohne Laster waren Spitzensportler also auch nicht.
Bergmann grinste noch immer. Die Ermittlungen begannen ihm offensichtlich Spaß zu machen. Fehlte nur, dass er sich die Hände voller Vorfreude auf die Befragungen der Fast-nackt-Tänzerinnen rieb.
Sandra ließ sich von Miriam die Nummer von Tobias Autischer durchgeben. Sie hatten ohnehin vorgehabt, dem jungen Mann einen Besuch abzustatten. Auch die Namen und Nummern der anderen Männer, die am Sonntag vor Weihnachten mit Wintersberger gefeiert hatten, sprach sie in ihr Aufnahmegerät.
»Kannst du mir deinen Bericht gleich mailen?«, fragte sie schließlich.
»Mach ich«, versprach Miriam.
»Und schick mir bitte die vollständige Fahndungsakte mit«, bat Sandra.
»Aber, Bergmann wollte doch …«
»Es ist nicht so, dass ich dich kontrollieren möchte, Miriam. Ich kenne nur gern alle Fakten«, unterbrach Sandra ihren Protestversuch.
»Ist schon okay.«
»Wie sieht es mit unserer Unterkunft aus?«, mischte sich Bergmann ein.
»Bisher konnte ich keine Zimmer für euch aufstellen. Tut mir leid. Aber ich bleib dran. Ich melde mich später nochmal bei dir, Sandra.«
»Und was ist mit unserem ÖSV-Termin? Hat sich da was getan?«, erkundigte sich Sandra.
»Ach, ja. Norbert Bachler wollte sich heute noch bei dir melden.«
»Das ist der Kollege, der bei der Weihnachtsfeier dabei war«, erinnerte sich Sandra an den Namen, den Miriam vorhin erwähnt hatte.
»Ja. Er war Gruppentrainer. Nach dem Verschwinden von Wintersberger wurde er zum Sportlichen Leiter bestellt.«
»Interessant …«
»Er wird versuchen, euch irgendwie einzuschieben, hat er versprochen.«
»Gute Arbeit, Miriam. Danke. Bis später«, sagte Sandra und trennte die Verbindung.
»Den Laptop nehmen wir trotzdem noch einmal mit«, meinte Bergmann.
»Hast du in den Schreibtischladen noch was Brauchbares gefunden?«, fragte Sandra.
»Einen USB-Stick und ein paar alte Fotos, die meisten von jungen Skifahrern.«
»Das könnten Buben aus der Skihauptschule Schladming sein. Siehst du den Berg hinter dem Gebäude?«
»Ja, ja, ein Berg – sehr schön«, meinte Bergmann trocken. »Für mich sehen die alle gleich aus. Aber das hier ist doch der Wintersberger.«
Sandra nickte.
»Wir sollten
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