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Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Titel: Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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wir sie wegwerfen. Sie ist alt und verfleckt und zerrissen.»
    «Nein!», schrie Stella. «Spielemax.»
    «So was gibt es da nicht», sagte Isabel. «Aber wir besorgen dir irgendwo eine neue, meine Schnecke.»
    Und sosehr Stella auch jammerte, Isabel verkündete mit ihrer typischen «Mama-Stimme» – einer Stimme, so stetig und stur wie der Herbstregen –, dass man Schneestern leider nicht retten könne, selbst Dr. Spielemax könne da nicht helfen. Isabel beschönigte Tatsachen nämlich grundsätzlich nicht mit Unwahrheiten. Sie war Apothekerin, und Apothekerinnen sind nun mal so. Das ist bitter – wie manche ihrer Pillen.
     
    «Oh, dear!», sagte Stellas Großmutter Josephine, als sie am Abend zum Essen kam und die Überreste der blauen Satindecke sah. «Oh, dear. Das Erbstück meiner Großmutter.»
    «Mama», sagte Isabel, «das Ganze tut mir wirklich sehr leid, aber so was passiert eben, wenn man einem Kind ein Erbstück aus Seidensatin schenkt. Was, um Himmels willen, hast du dir nur dabei gedacht?»
    Josephine warf ihrer Tochter einen vernichtenden Blick zu. «Das, meine Liebe, wirst du wohl selbst herausfinden müssen.»
    Isabel seufzte. «Die Decke war schon alt und verfleckt, als du sie Stella geschenkt hast. Und jetzt ist sie alt und verfleckt und schmutzig und zerrissen dazu. Wirf sie weg!»
    «Nein!», protestierte Stella. «Ich will meine Decke wieder!»
    «Gib sie mir, bitte», sagte Josephine ruhig. «Lass mal sehen.»
    «Mama!», sagte Isabel. «Aus nichts kann man nichts machen!»
    «Pst», sagte Josephine, untersuchte die Decke und drehte sie immer wieder hin und her. «Wenn ihr mich fragt», meinte sie schließlich, «ist noch genügend Stoff übrig, um etwas Neues daraus zu machen.»
    «Siehst du!», sagte Stella triumphierend zu ihrer Mutter. «Siehst du!»
    Isabel zuckte nur mit den Schultern und ging wieder in die Küche, um ihrem Mann Mikhail bei der Zubereitung seiner berühmten Erdbeerplinsen zu helfen.
     
    Es vergingen Tage, eine Woche, zwei. Und dann kam Oma Josephine mit einem Päckchen vorbei. Darin war ein Kleid aus blauem Seidensatin, zusammengenäht mit goldenem Faden und bestickt mit Sternen und Schneeflocken aus Silberbrokat.
    Stella war entsetzt. «Das ist Schneestern?», sagte sie, den Tränen nahe. «Was ist Schneestern passiert?»
    «Hmpf», sagte Isabel. Sie schnappte sich das Kleid und untersuchte es Zentimeter für Zentimeter, Stich für Stich, als entzifferte sie Buchstabe für Buchstabe ein Arztrezept. «Da sind immer noch Flecken!», sagte sie schließlich und zeigte auf ein paar Stellen.
    «Cranberrysauce. Thanksgiving. 1959 », sagte Josephine. «Damals war es eine Tischdecke. In New York.»
    «Und die weißen Flecken?», wollte Isabel wissen.
    «Schuhcreme. 1949 .»
    «Hmpf», sagte Isabel wieder und ging aus dem Zimmer, um sich für ihren Tangokurs herzurichten.
    «Schuhcreme?», fragte Stella. «New York?»
    Josephine hob Stella hoch und setzte sich mit ihr auf das Sofa. «Stella», sagte sie, «soll ich dir eine Geschichte über einen verzauberten Stoff erzählen?»
    «Ein Zaubertuch?», fragte Stella.
    «Nein, nicht wirklich, kein Abrakadabra, aber trotzdem etwas ganz Besonderes.»
    Stella klatschte in die Hände. Nach dem langweiligen, regnerischen Nachmittag war sie froh um die Ablenkung. Außerdem liebte sie es, Geschichten von ihrer Oma zu hören, denn Josephine hatte einen lustigen Akzent. «Ja! Eine Geschichte!» Sie lehnte sich an den gepolsterten Busen ihrer Großmutter, und Josephine begann mit ihrer Geschichte.

Drittes Kapitel W intermorgen in Russland
    Es war einmal im Januar 1919 , weit zurück im letzten Jahrhundert und weit entfernt in Russland, hoch oben an der Ostsee, da nahmen Galja und Lew Nussbaum an einem klaren, aber noch sehr dunklen und bitteren Morgen Abschied von ihrer einzigen Tochter Channa, die gerade neunzehn geworden war.
    An jenem Morgen zeigte sich die Welt weiß wie an jedem Morgen in St. Petersburg zu dieser Jahreszeit. Auf den Straßen lag eine dicke Schicht frischen, neuen Schnees. Der Himmel färbte sich gerade zartrosa, als Channa neben der Kutsche, die sie zum Bahnhof bringen sollte, ihre Mutter und ihren Vater zum Abschied umarmte. Die Fenster im Erdgeschoss ihres Elternhauses schimmerten orangerot. Hier, auf der schneebedeckten, stillen Straße, glaubte Channa fast noch das Holz im Kaminfeuer knacken zu hören. Wie konnte sie all das Schöne zurücklassen? Ihr tat der Hals weh, so sehr bemühte sie sich, nicht zu

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