Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
den Ewigen Imperator vertraut gemacht hatte.
Die Bhor förderten Instinkte, wie sie Cind an den Tag legte, auch bei ihren eigenen jungen Leuten, und sie prahlten mit ihnen bei ihren gigantischen Festen und Trinkgelagen.
Als Otho trunken vor sich hin blubberte und seinem eindeutig peinlich berührten Freund auf den Rücken klopfte, blickte Cind mit bewundernden Augen auf den großen Sten. Das war das Wesen, dessen Taten man mehr als alle anderen in den Trinkhallen der Bhor rühmte. Kein Bhor, der auch nur am Rande mit diesen Taten zu tun gehabt hatte, konnte eine öffentliche Straße überqueren, ohne daß ihn bewundernde Blicke und Kommentare
begleiteten. Die Geschichte wurde immer wieder erzählt, und bei jeder Wiederholung erstrahlten Sten und Alex in hellerem Licht. Besonders Sten. Er war jünger, als sie angenommen hatte. Eigentlich hatte sie eher einen altehrwürdigen Graubart erwartet. Sie fand sogar, daß er recht gut aussah.
Otho hatte sich jetzt abgewandt und unterhielt sich mit Alex Kilgour. Cind sah, wie sich Sten abwesend im Raum umsah. Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein so einsames Wesen gesehen. Ihr Herz überflog noch einmal all die unvorstellbaren Schrecken, die der große Sten in seiner Brust verborgen halten mußte. Es verlangte sie danach, sie herauszulocken, ihn zu trösten. Stens Blick streifte sie... dann... großer Gott!... er schaut mich an! Mich!
Ihr wurde unangenehm heiß, und dann wanderte sein Blick weiter. Ach je, wenn er sie nur ein wenig länger angeschaut hätte. Hätte er ihren Wert erkannt? Hätte er ihre Leidenschaft für ihren einzigen wahren Freund verstanden -
ihr
Scharfschützengewehr? Bestimmt. Ein großer Krieger wie Sten hätte sofort erkannt, wie sie über derlei Dinge dachte. Cind beschloß, daß sie versuchen mußte, mit ihm zusammenzutreffen, egal wie.
Sie widmete sich wieder dem Essen und war sich dessen nicht bewußt, wie qualvoll es doch sein konnte, jung zu sein.
Alex leerte das Horn und ließ es von Otho nachfüllen. Der Häuptling der Bhor hatte ihn trunken zur Seite gezogen und damit angefangen, ihn auszufragen. Stens Benehmen bereitete ihm Sorgen, sagte Otho. Wenn er weiterhin so trübsinnig herumsäße, meinte Otho, würde er ihn hinauswerfen.
Er erzählte Alex, daß Sten lediglich mit einem schwachen Lächeln reagiert habe, als er ihn an ihre erste Begegnung erinnert hatte, damals, als die Bhor ihre gefangenen Jann noch auf alle Schiffe verteilten und gemäß einem blutigen Ritual, der uralten, lustigen "Segnung", hinrichteten.
"Erinnerst du dich noch an das Gesicht dieses blöden Jann, als wir ihn in den Raketensilo stopften?" fragte Otho. Alex erinnerte sich daran.
"Beim verwitterten Bart meiner Mutter, das war vielleicht ein komischer Anblick. Er hatte soviel Schiß, sein Gesicht war so verzerrt, als hätten wir ihm die Nase ein dutzendmal herumgedreht.
Dabei war es nur zwei-oder dreimal gewesen.
Wir haben ihn so gut wie nicht gefoltert. Dann haben wir ihn hinausgeschossen, um ihn
kaltzumachen, und dann haben wir seine verdammte Seele zur Hölle getrunken! Ach ja, das waren noch Zeiten!"
Er klopfte Alex mit seiner gewaltigen Pfote auf den Rücken, daß selbst Kilgour ein wenig zusammenzuckte. "Genau", war alles, was er herausbrachte. Doch bevor Otho auf den Gedanken verfallen konnte, daß er ebenso trübsinnig wie Sten war, stieß Alex bei der Erinnerung an diese blutrünstigen Zeiten rechtzeitig ein brüllendes Gelächter aus.
"Was hat unser Sten bloß?" erkundigte sich Otho.
"Mit dem ist ja heute überhaupt nichts los. Zeig mir denjenigen, der ihm etwas angetan hat, und ich schwöre dir, ich erschlage ihn auf der Stelle!" Alex wäre hocherfreut gewesen, hätte man die
Angelegenheit so einfach bereinigen und Stens Dilemma mit einer guten alten Segnung nach Art der Bhor aus der Welt schaffen können. In diesem Moment kam ihm der Gedanke an durch das Weltall treibende Eingeweide wesentlich angenehmer vor als jeder Gedanke, den Sten seit ihrer Flucht von der Erde ausgebrütet hatte.
Kilgour war Hals über Kopf davongerast, als hätten sich die Tore der Hölle geöffnet und sämtliche Dämonen an seine Fersen geheftet. Das war nicht einmal übertrieben. Hätte Kilgour nicht so schnell reagiert, wären sie nicht nur verfolgt, sondern auch geschnappt worden. Alex schrieb jegliche Vorsicht und die Grundgesetze der Physik in den Wind. Er riß und schaukelte und stürzte das kleine Einsatzschiff in allen möglichen und unmöglichen Winkeln hin
Weitere Kostenlose Bücher