Sten 7 - Vortex - Zone der Verraeter
flüchtig zu tun hatte, empfand sie nichts als Mitleid.
Vor einigen Jahren hatte sie Geschichten gehört, die davon erzählten, daß sich ihre Welt verändern würde. Alles würde besser werden. Wenn erst dieser Tyrann, der Khaqan, über den sie sich nie zuvor Gedanken gemacht hatte, nicht mehr war, dann würde endlich ein neues Zeitalter anbrechen.
Ein Mann namens Iskra würde es ihnen bringen. Einige ihrer Freunde gaben ihr Pamphlete zu lesen, die davon sprachen, daß dieser noble Mann schon immer an den Altai-Cluster geglaubt hatte, daran, daß er dereinst das Zentrum der Zivilisation sein würde und daß dieses neue Feuer von den Jochianern entfacht werden würde.
Natürlich las sie keine der Veröffentlichungen des Doktors.
Man hatte ihr gesagt, sie seien für jemanden ihres Geschlechts und ihrer Herkunft viel zu kompliziert, und sie hatte keine Lust, ihre Zeit damit zu verschwenden. Sie schloß sich einer kleinen Organisation an, einer Geheimorganisation natürlich, und sie schwor einen Eid darauf, unter allen Umständen mitzuhelfen, das neue Zeitalter herbeizuführen.
Und dann kehrte Iskra auf seinen Heimatplaneten zurück.
Sie hatte in der jubelnden Menge gestanden, die ihn begrüßte.
Sie glaubte sogar, ihn gesehen zu haben - als winzigen Punkt weit entfernt auf einem Balkon des Palastes, der ehemals dem Khaqan gehört hatte.
Dann fing das Gerede an. Das neue Zeitalter wollte sich nicht schnell genug einstellen. Die Torks stolzierten noch immer umher und stellten ihren Reichtum zur Schau, ein Reichtum, den sie sich ungerechtfertigterweise von den Jochianern angeeignet hatten. Schlimmer noch: Jochi wurde noch immer von der Anwesenheit der Suzdal und der Bogazi verseucht.
Selbst als die »Aliens« den Planeten verlassen hatten, gab es noch genug Böses, das Dr. Iskras Hände daran hinderte, den Wahnsinn in seinen festen Griff zu bekommen. Doch nachdem ihr Zellenführer es ihr erklärt hatte, erkannte sie endlich auch, wer die wirklichen Feinde waren: diese Imperialen, die versuchten, Dr. Iskra als ihren Handlanger zu mißbrauchen, genauso, wie sie es mit dem Khaqan getan hatten. Jetzt wurde ihr klar, daß Dr. Iskra beinahe wie ein Gefangener in seinem eigenen Palast gehalten wurde und keinesfalls so frei regierte, wie sie es bisher geglaubt hatte.
Sie wollte etwas unternehmen. Etwas, das den Wandel rascher in die Wege leitete.
Irgendwie, auf irgendeine Weise mußte sie doch helfen können.
In den Livies sah sie, was die anderen getan hatten. Zwei junge Männer und eine Frau hatten sich selbst angezündet und freiwillig diesen unehrenhaften Tod in Kauf genommen, weil nur durch solch ein Signal allen Jochianern bewußt werden konnte, daß sie diejenigen waren, die man entehrte.
Sie berichtete ihrem Zellenführer von ihrer Bereitschaft zu sterben. Er sagte, er müsse seinen Berater fragen, ob ein solcher Akt zu begrüßen wäre.
Zwei Tage später sagte er ihr, daß sie nicht für dieses Schicksal bestimmt sei. Statt dessen war ihr erlaubt, eine noch größere Aufgabe zu erfüllen, eine Aufgabe, die die Imperialen wie ein wütender Wind aus dem Norden von den Welten des Altai-Clusters vertreiben würde.
Sie war hocherfreut und zugleich beschämt.
Sie lernte und probte sorgfältig.
Zwei Tage, nachdem Sten die Toten im Wald gefunden hatte, erhielt sie die Nachricht, daß ihre Zeit gekommen sei.
»Diese Hohlköpfe hören einem nicht einmal zu«, sagte der Wachtposten zu den beiden anderen Imperialen Soldaten, die zum Dienst am Wachhäuschen abgestellt waren. »Denen kann man hundertmal sagen, hier ist zu, es gibt hier keine Abkürzung zu den Marktbuden, und sie nicken nur, lächeln freundlich, und wenn sie beim nächsten Mal in die Stadt kommen, probieren sie es wieder. Als der Schöpfer die Jochianer fragte, ob sie Grips haben wollten, dachten sie, er hätte Gips gemeint und riefen: >Ach was, so etwas brauchen wir nicht!<«
Der Wachtposten stand an einer der Straßen, die zum Platz der Khaqans führten. Sie war bewacht, weil der Teil des Palastes, den man dem Bataillon des 3. Imperialen Garderegiments als Unterkünfte, Büros und Kantine überlassen hatte, nur knapp hundert Meter entfernt war.
Er gähnte. Es war weniger als eine Stunde nach Sonnenuntergang, und das bedeutete weniger als eine Stunde bis zur Ablösung. Dann konnte er endlich essen gehen. Er nahm seine Willygun, schlang den Trageriemen um den Arm und spazierte aus dem Wachhäuschen heraus. Er betrachtete den Transport-Gleiter, der
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