Sten 8 Tod eines Unsterblichen
Suks Tod kurz vor Weihnachten 2182
noch verstärkt worden. Man hatte Kea erst nach der Beerdigung davon verständigt.
Cal Tech war ein ebenso großer Humbug wie die meisten Religionen auf der Straße der Gottesmänner.
Und wie jeder gute Schwindel sah es von außen blendend aus. Das Institut konnte mehr
Nobelpreisträger vorweisen als Houston oder sogar Luanda, doch die meisten von ihnen unterrichteten nicht mehr als einen oder zwei Einführungskurse und vielleicht noch ein Doktorandenprogramm, an dem ohnehin nur eine begrenzte Anzahl
handverlesener Jünger teilnehmen durfte. Die Uni ging mit mittlerweile 25.000 Studenten auf ihren 300jährigen Geburtstag zu und war ein Prunkstück der allermodernsten Architektur und
Vorstellungskraft. Zu den wenigen Gebäuden, die noch aus der "alten Zeit" übrig waren, bevor die Universität anfing, sich wie ein Krebsgeschwür auszubreiten, und sich bei diesem Prozeß nicht nur ein nahe gelegenes Gymnasium, sondern gleich die ganze Innenstadt einverleibt hatte, gehörten der altertümliche Brunnen, auf dem Kea saß, und die im spanischen Stil errichtete Kerkhoff Hall gegenüber, die mittlerweile zur Einweisung der Erstsemester benutzt wurde.
Die Arbeit war zwar hart, bestand zum Großteil jedoch aus Pauken: Wissen einbläuen und zu den regelmäßig angesetzten Prüfungen wiederkäuen.
Beide Theoriekurse, für die er sich in diesem Semester qualifiziert hatte, schienen lediglich die Weiterführung oder Abwandlung der Erkenntnisse der Vergangenheit zu predigen, statt die Studenten auch nur mit dem geringsten wirklich originellen Gedankengut zu konfrontieren.
Er war nicht so Verblasen, daß er von Cal Tech echte Perfektion erwartet hätte oder daß ihm hier wirklich die Geheimnisse der Altvorderen vermittelt würden. Er hatte jedoch erwartet, daß die Schule zumindest mit ein paar originellen Köpfen aufwartete, die auch über den Tellerrand der bloßen Wiederholungen der vergangenen Irrtümer hinwegblickten. Vielleicht gab es diese Weisen ja, und er war zu jung und zu dumm, um zu erkennen, wer und wo sie waren. Vielleicht hatten die kühnsten Denker auch einfach die Schnauze voll gehabt und lehrten jetzt irgendwo weit weg von der Erde, auf Ganymed oder auf dem Mars. Wenn das stimmte warum besuchten dann so viele Außenweltler Cal Tech?
Keas Zweifel schlugen sich nicht in seiner Arbeit nieder. Er hielt gute Durchschnittsnoten und stand in beiden vergangenen Jahren auf der Stipendiatenliste.
Er war ringsum abgesichert. Er mußte nichts anderes tun, als seinen Notendurchschnitt, sein Lächeln, seine Moral und seine Genitalien nicht sinken zu lassen, dann würde er sich zu einem Senkrechtstarter des 22. Jahrhunderts entwickeln. Und das hieß, dachte er angeödet, daß er von einer der Superdesign-Anlagen wie Wozniak City geschluckt werden würde und eventuell, wenn er sich ordentlich aufführte, irgendwann einmal einer "besonders eleganten" Computerlösung seinen Namen aufdrücken durfte; oder aber, was noch bescheuerter war, einen tertiären Prozeß in der Synthetisierungs-Industrie nach sich benennen. Vielleicht würden sie ihn mit einem kostenlosen vierzehntägigen Urlaub mit allen Schikanen auf Nix Olympica belohnen.
Natürlich auf einem der kleineren Gipfel.
Kea mußte plötzlich grinsen. >Du hast recht, Junges dachte er. >Selbstmord ist die einzige Lösung. Leg dich vor den nächsten Schienenbus, der vorbeikommt, mein trauriger Jüngling. Apropos .. .< Er schaute auf die Armbanduhr - in diesem Jahr war der letzte Schrei, die Uhr am Handgelenk zu tragen und sah, daß es höchste Zeit war, sich auf die Socken zu machen, wenn er nicht zu spät zur Arbeit kommen wollte. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, seinen Aktenkoffer in seiner ein ganzes Stück vom Unigelände entfernten Unterkunft - einem winzigen, viel zu teuren Zimmer auf dem Dachboden abzustellen und die Klamotten zu wechseln.
>Vergiß doch all den Mist, der dir durch den Kopf geht<, dachte er. >Du wirst schon nicht als Rädchen in irgendeinem Räderwerk enden. Du kannst sogar wieder nach Maui zurückgehen und als Gangster ganz von vorn anfangen, bevor du dir das antun läßt. Oder dich als Freiwilliger auf einem Longliner melden ...<
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Plötzlich wurde ihm kalt. Er suchte mit dem Daumen nach dem Reißverschluß seiner Jacke. Die herbstliche Sonne war zweifellos nicht mehr so warm, wie es den Anschein hatte.
Das Lokal, mehr Kneipe als Restaurant, in dem Kea arbeitete, lag
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