Sten 8 Tod eines Unsterblichen
Eine
Vergnügungsreise zum Mars war nach wie vor nur wenigen reichen Leuten vorbehalten; die Fahrt kostete in etwa soviel wie die allerbeste Luxuskabine auf einem Luxuskreuzfahrtschiff auf der Erde zur Zeit der Cunards. Die Suite, die er sich mit Austin und einem völlig mit Berichten überladenen Faktotum der Familie teilte, war die größte auf diesem Transporter. Sie maß vier auf sieben Meter. Austin erzählte Kea, daß das immer der schlimmste Teil der Reise sei - und daß er sich wie in einer Mausefalle fühle.
Kea fiel es nicht einmal auf. Zum einen war die Suite nicht viel kleiner als die Wohnung, in der er und Leong Suk lange Jahre gelebt hatten. Zum anderen besaß die Suite ein "Bullauge" - eigentlich einen Vid-Bildschirm, der mit Aufnahmegeräten an mehreren Stellen der Außenhülle des Raumschiffs in Verbindung stand. Auf den Bildern, die die Frontkamera lieferte, wurde der Mars immer größer.
Als sich das Raumschiff dem Planeten des Kriegsgottes näherte, konnte Kea die ersten Details erkennen. Valles Marineris. Tharsis. Olympus Mons.
Alles gewaltig und spektakulär. Aber was Kea am meisten faszinierte, waren die von Menschenhand geschaffenen Gebilde. Nicht nur der Dunst der neuen Marsatmosphäre, die Meere und Seen, die funkelnden Lichter der neuen Städte, sondern die Wunder außerhalb des Planeten, von denen man einigen erlaubt hatte, zur Erinnerung und als Mahnmale bestehenzubleiben. Eine Raumstation.
Die Erste Basis auf Deimos. Einer der großen Spiegel, mit deren Hilfe man die Eiskappen geschmolzen hatte und der im geosynchronen Orbit über dem Nordpol hing.
Ihm wurde klar, daß zumindest dieser Spiegel kein freiwillig zurückgelassenes Monument war. Er war das zentrale Stück eines Schrotthaufens. Kea schmeichelte sich bis auf die Brücke zu den Piloten vor, lernte, wie man die Aufnahmekontrollen bediente, und untersuchte den Schrott, der um den Planeten kreiste. Die Gründe dafür kannte er selbst nicht. Doch dort schwebten tote Fernraumschiffe, die er aus Büchern, Museen und von Modellen her kannte, die er sich damals als Junge nie hatte leisten können. Ein Longliner, der niemals fertiggestellt und auf die Reise geschickt worden war. Eine Raumstation, ausgebrannt und zerfranst. Kea erinnerte sich, von dieser Katastrophe gelesen zu haben, die sich vor etwa einhundert Jahren ereignet hatte.
Und auf einer Seite, ganz allein, ein winziges Schiff. Noch eins dieser Sternenschiffe. Das zweite, das er jemals gesehen hatte. Er wunderte sich, weshalb er offensichtlich der einzige war, der sie als Mischung aus Triumph und Niederlage betrachtete, als Versprechen und Tragödie zugleich. Als unvollkommen. Als Raumschiffe, denen es verdammt noch mal nur an der richtigen
Energiequelle fehlte ...
Kea kehrte zur Suite zurück und bereitete sich auf die Landung vor. Bargeta Senior, Austins Vater, erwartete sie. Ein furchteinflößender Mann. Kea fragte sich, ob er dem Mann mit den gleichen Gefühlen gegenübergetreten wäre, wenn er nicht gewußt hätte, wieviel Macht er in seinen Händen hielt. Er kam zu dem Schluß, daß es nichts daran geändert hätte. Es lag an Bargetas Gesicht. Harte, taxierende Augen. Die dünnen Lippen eines gestrengen Zuchtmeisters. Und dabei die Gesichtszüge eines Genußmenschen und ein Körper, der nicht durch körperliche Arbeit, sondern nur durch hochbezahlte Trainer so in Form gehalten werden konnte. Es war das gleiche Gesicht, erkannte Kea, das Austin einst tragen würde, sollte man ihn auserwählen, Bargeta abzulösen. In etwa vierzig Jahren.
Mr. Bargeta war sehr freundlich zu Kea. Er erwies sich dem Mann gegenüber, der seinem Jungen aus dieser schwachsinnigen Schule herausgeholfen hatte, in die er da gerutscht war, als sehr dankbar. Er sagte, Austin habe Richards oft in seinen Briefen erwähnt. Kea wußte, daß er log.
Austin setzte sich mit seiner Familie nur dann in Verbindung, wenn er etwas wollte, und dann sehr knapp und direkt; dabei ging es entweder um einen Vorschuß oder um eine Erhöhung der Zahlungen für das nächste Semester.
Der ältere Mann sagte, daß sie vor Keas Rückreise zur Erde miteinander über die Zukunft reden müßten. Über Keas Zukunft. Kea kam sich vor, als wäre er mitten in einem Mafiavid aus dem 20. Jahrhundert, und zwar in der Szene, in der man versuchte, ihn zu einem Mitglied der
Verbrecherfamilie zu machen. Das war
wahrscheinlich nicht nur romantische Dummheit, dachte er, schob den Gedanken jedoch rasch beiseite.
Auf dem
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