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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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weil man fürchtete, er könnte einen verraten, war es nicht. Ganz im Gegenteil, es deutete auf Schwäche hin und war deshalb verabscheuungswürdig. Außerdem mochte Mantega Tom Newman ganz gerne. Doch der Chinese oder Japaner oder was immer für eine Sorte Asiat Nguyen war, würde die Feinheiten kalabrischer Ethik nicht verstehen, deshalb hatte er sich an die praktischen Aspekte der Angelegenheit gehalten. Schließlich hatte sich Nguyen mit einer schweren, aber nicht tödlichen Verletzung zufriedengegeben, die nach einem schiefgegangenen Überfall aussah und den jungen Mann ins Krankenhaus bringen würde, bis der Deal abgeschlossen und das Geld gewaschen war.
    Nach ihrem gemeinsamen Mittagessen an der Küste war Mantega nach Cosenza zurückgefahren und hatte diverse Bars abgeklappert, bis er ein geeignetes Individuum für diese Operation gefunden hatte. Rocco Battista war ein Kleinkrimineller mit einem Pferdepimmel, einem Herzen aus Gold und einem Spatzenhirn, der als angeheuerter spacciatore die Drogen verkaufte, die Giorgio einführte und verteilte. Aus Giorgios Sicht war Rocco das typische Opfer, der Sündenbock. Auf seinem tätowierten und gepiercten Gesicht mit den scharf konturierten Koteletten stand »entbehrlich«, und Mantega war der Meinung, je schneller er verschwand, desto besser. Doch da er noch da war, hatte Mantega den kleinen Schleimscheißer engagiert, Tom Newman das Nötige anzutun, der heute Abend mit irgendeiner heißen Puppe, die er aufgegabelt hatte, in diesem schicken Restaurant in Arenella speisen würde. Rocco sollte ihn, wenn die Sache erledigt war, von einem öffentlichen Fernsprecher aus anrufen und eine verschlüsselte Nachricht durchgeben, die besagte, dass alles nach Plan verlaufen war. Dann würde er bezahlt werden. Aber Rocco hatte nicht angerufen, was sehr merkwürdig war. Er war so ein raffgieriges kleines Arschloch, das ständig Geld brauchte, dass er normalerweise anrufen würde, selbst wenn er die Sache vermasselt hätte. Ma pazienza! Das Leben war voller Überraschungen. Doch das Wichtigste war, immer am Ball zu bleiben, und in dieser Hinsicht fühlte sich Mantega weit überlegen.
    Er sah erneut auf die Uhr und stand widerwillig auf. In Bezug auf Termine waren Amerikaner bekanntlich terribili : Sie kamen immer pünktlich. Er ging ins Haus zurück, duschte, rasierte sich und zog sich seriös an, um Eindruck zu machen, dann ging er in die Garage unterm Haus. Mit einer gewissen Beklommenheit schaltete er die Deckenbeleuchtung an, weil er fürchtete, dass das, was ihn hier unten erwartete, ihn schockieren könnte. Doch statt schockiert zu sein, wäre er am liebsten auf die Knie gefallen, obwohl er nicht genau wusste, ob Juden so etwas taten, und sich ziemlich sicher war, dass er keinen Tropfen jüdischen Bluts in sich hatte, aber wer weiß? Nein, es war die Reaktion auf die überwältigende Ästhetik eines erstaunlichen Kunstwerks, das ihn überragte, von innen zu leuchten schien und seine Arme ausstreckte wie ein stark beschnittener Baum seine Zweige oder wie ein mechanisches Modell des Sonnensystems in dem schicksalsschweren Moment, wenn alle Planeten in einer Linie ausgerichtet sind.
    Nachdem er Rocco Battista in seine Dienste genommen hatte, hatte Mantega gestern außerdem einen Mann aus dem Ort angeheuert, der kleinere Speditionsarbeiten in der Gegend erledigte. Der sollte die Lieferung abholen, die Martin Nguyen durch den Zoll gebracht hatte, und zu Mantegas Villa transportieren. Dort wurde sie abgeladen, der Holzrahmen abmontiert, die Luftpolsterfolie entfernt, und dann wurde der Leuchter auf seinen zweistufigen, sechseckigen Fuß gestellt. Zu dem Zeitpunkt hatte die vergoldete Nachbildung eindrucksvoll ausgesehen, sehr fein gearbeitet, aber ziemlich makellos und neu. Mantega hatte sich auch noch die Dienste eines bekannten Goldschmieds gesichert, dessen kunsthandwerkliches Können außer Frage stand, der jedoch vor einiger Zeit mal mit dem Gesetz in einer heiklen Sache in Konflikt geraten war, bei der es um die genaue Herkunft des Goldes ging, aus dem er seine Meisterwerke fertigte. Mantega hatte Michele Biafora helfen können, sich aus dieser selbst verschuldeten Misslichkeit zu befreien, und zum Dank dafür plus einem Schmiergeld von tausend Euro war Biafora bereit gewesen, am gestrigen Abend zu später Stunde mit einem seiner Lehrlinge zur Villa zu kommen und die ganze Nacht damit zu verbringen, die nachgemachte Menora mit diversen chemischen Substanzen zu bearbeiten

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