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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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also wär ich doch blöd, das nicht auszunutzen. Aber wenn du mich nicht willst …«
    »Bist du verrückt? Natürlich will ich dich!«
    »Dann gibt es nichts mehr dazu zu sagen. Geh und leg dich hin.«
    Tom stand nutzlos in der winzigen Küche herum und war Mirella nur im Weg. Er hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte, also stellte er die Frage, die ihm als Erstes in den Sinn kam. »Darf ich dich küssen, Mirella?«
    »Nein, das ist zu intim.«
    Schon wieder war er sprachlos und sagte schließlich die Wahrheit. »Du bist der außergewöhnlichste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    Mirella lachte abfällig. »Blödsinn. Ich bin ganz normal und langweilig. Aber ich werde mir große Mühe geben, dich diese Nacht nicht zu langweilen, und morgen bring ich dich zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus, und dann pack ich dich in ein Flugzeug nach Hause zu deinen amerikanischen Schönheiten mit den Edelstahlzähnen.«
    Tom sah ihr in die Augen. »So einfach wirst du mich nicht los, Mirella. Ich muss jetzt zwar wirklich abreisen, aber ich komme wieder. Auch wenn ich in deinen Augen kein Kalabrier bin, kannst selbst du nicht bestreiten, dass ich Amerikaner bin. Und wir geben nicht gleich auf, wenn’s ein bisschen schwierig wird.«
    Mirella hielt die rechte Hand hoch und streckte den kleinen Finger und den Daumen aus.
    »Was ist das?«, fragte Tom verärgert. »Irgendeine abergläubische Geste gegen dieses Zeug, an das ihr hier glaubt …«
    Sie lächelte ihn schelmisch an. »Cuntru l’affascinu? Nein, so fasziniert bin ich von dir nun auch wieder nicht. Jedenfalls noch nicht. Im Übrigen macht man dieses Zeichen mit dem Zeigefinger und nicht mit dem Daumen. Ich wollte nur sagen, dass ich will, dass du mich anrufst, während du weg bist. Und jetzt geh ins Bett und ruh dich ein bisschen aus, denn das ist schließlich nicht das Einzige, was ich von dir will.«

59
    Die Falle war gestellt. Es waren keine Anrufe bei irgendeiner der Nummern von Nicola Mantega eingegangen, und aus den bisherigen Anhaltspunkten, einschließlich der kürzlich erfolgten Rückgabe der echten römischen Artefakte, hatte Aurelio Zen geschlossen, dass sich Giorgio nun in höchster Alarmbereitschaft befand und nur noch schriftlich kommunizierte. Deshalb war das Team, das Mantega beobachtete, angewiesen worden, besonders auf mögliche Briefzustellungen zu achten.
    Kurz nach sechs an diesem Abend war ein schlecht rasiertes Individuum von etwa dreißig Jahren mit dem stechenden Blick und dem schaukelnden Gang der Bergbewohner das Stück des Corso Mazzini entlanggegangen, auf dem sich Mantegas Kanzlei befand, hatte das Gebäude betreten und war genau sechs Sekunden später wieder herausgekommen. Man verfolgte ihn bis zu seinem Auto, und an einer rasch improvisierten Straßensperre in der Nähe von Camigliatello wurde er von der Polizia Stradale angehalten und wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen, obwohl sein Blutalkoholspiegel exakt null war. Bereits zuvor war Nicola Mantegas Brieffach in dem Kasten an der Wand neben dem Eingang zum Bürogebäude geöffnet und der neutrale braune Umschlag herausgenommen worden. Dieser wurde rasch zu einer Untersuchung ins Labor gebracht, dann geöffnet, der Inhalt kopiert und wieder hineingesteckt, der Umschlag erneut verschlossen und zurück in Mantegas Briefkasten gelegt.
    Der angeblich betrunkene Autofahrer hatte inzwischen den einen Anruf, den man ihm gestattete, verwendet, um Kontakt zu dem Haus in San Giovanni in Fiore aufzunehmen, das als Anlaufstelle für Giorgios Kommunikationsnetzwerk diente. Kurz darauf wurde beobachtet, wie Dionisio Carduzzi sein Haus verließ und die lange gewundene Hauptstraße des Ortes zur Via del Serpente hinaufging. Diese lag in einem Slumgebiet aus Wohnblocks, die in den siebziger Jahren illegal gebaut worden waren, viele davon nicht fertiggestellt und unbewohnt und alle ohne Isolierung und Doppelverglasung und so ausgerichtet, dass sie die sibirisch kalten Winde, die im Winter die Temperaturen häufig weit unter null Grad sinken ließen, voll abbekamen. Dionisio hatte das Gebäude betreten, in dem Silvia Fardella offiziell gemeldet war, doch sein Besuch war nur von kurzer Dauer. Kaum war er wieder auf der Straße, da klingelte in Cosenza Nicola Mantegas Handy, und eine Frauenstimme sagte: »Sieh in deinen Briefkasten.« Der junge Rowdy, der offenbar in einer finsteren Ecke in der Eingangshalle umgekippt war und eine leere Flasche Limoncello umklammert hielt, bestätigte wenig

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