Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
später über sein abhörsicheres Handy, dass Mantega das getan hatte. Was il notaio allerdings nicht tat, war, die Polizei über diese interessante Entwicklung zu informieren, doch Aurelio Zen hatte bereits eine Kopie des betreffenden Schreibens in Händen. Wenn man die vielen Rechtschreibfehler beiseiteließ, stand da Folgendes:
ICH WEISS WO DU WOHNST NICOLETTA ABER DAS IST ZU RISKANT KOMM UM ACHT ZUM STAUDAMM AM MUCONE ES IST DRINGEND UND ICH WEISS WO DU WOHNST.
Grimmig lächelnd legte Zen die Nachricht auf seinen Schreibtisch. In diesem Moment fragte sich Nicola Mantega bestimmt, wie es um Himmels willen dazu hatte kommen können, und ging in Gedanken jeden einzelnen Schritt durch, der ihn dahin gebracht hatte, wo er jetzt stand, nämlich an den Rand eines Abgrunds, konnte sich jedoch wegen keinem einzigen davon einen Vorwurf machen. Es hatte sich zu jedem Zeitpunkt alles vollkommen vernünftig angehört, also wie um alles in der Welt war es möglich, dass er nun nach Einbruch der Dunkelheit zu einem Treffen auf einer entlegenen Landstraße im Sila-Gebirge fahren musste, zu einem Treffen mit einem drogenabhängigen Psychotiker, der ihm die Kehle aufschlitzen würde, wenn er herausfand, worauf sich Mantega bei seiner Zusammenarbeit mit dem Polizeichef sowie mit dem gerade verstorbenen Martin Nguyen eingelassen hatte, beziehungsweise der ihm wahrscheinlich am liebsten sowieso die Kehle aufschlitzen würde? Doch Mantega würde trotzdem hinfahren, weil er wusste, wenn er es nicht tat, würde Giorgio früher oder später zu ihm kommen. Deshalb sollte er besser versuchen, ihn jetzt zu beruhigen, Rocco Battistas absurde Behauptungen abstreiten, Giorgio ein dickes Bündel Banknoten in die Hand drücken und ihm versprechen, dass noch mehr kommen würde.
Die Falle war also gestellt. Sie zuschnappen zu lassen würde eine heikle und komplizierte Sache sein, und Zen wusste, dass er nur eine einzige Chance bekam. Deshalb hatte er eine kleine Gruppe handverlesener Beamter zusammengestellt. Sechs von ihnen, nämlich Zen selbst, Natale Arnone und vier Digos-Agenten, die ihre Hightech-Ausstattung wie Nachtsichtbrillen einsetzen konnten, sollten die Einheit bilden, die Mantega vom angegebenen Treffpunkt bis dorthin, wo auch immer Giorgio sich versteckte, beschattete. In zwei separaten, aber gleichzeitigen Operationen sollten Razzien in den Wohnhäusern von Dionisio Carduzzi und Silvia Fardella in San Giovanni in Fiore durchgeführt, die Wohnungen durchsucht und alle anwesenden Personen verhaftet werden.
Detaillierte und sorgfältige Planung war die Voraussetzung für ein erfolgreiches Ergebnis. Die Razzien in San Giovanni waren im Grunde Routineeinsätze, wie sie in jedem üblichen Lehrbuch beschrieben wurden, sie mussten nur zeitlich miteinander und mit den möglichen Ereignissen nach Mantegas Treffen mit Giorgio koordiniert werden. Letzteres war die große Unbekannte in der Gleichung. Zen hockte mit Natale Arnone und den Digos-Agenten fast eine Stunde über einer Militärkarte der Gegend in großem Maßstab. Sie dachten sich diverse Szenarien aus und planten die entsprechenden Reaktionen darauf, doch Zen wusste, dass Giorgio gerissen und wahnsinnig zugleich war, eine Kombination, bei der es trotz allem Geschick keine sichere Aussicht auf Erfolg gab.
Mantega hatte die Anweisung erhalten, um acht Uhr an diesem Abend zum Staudamm am Fluss Mucone zu kommen. Dieser Damm war kurz nach dem Krieg gebaut worden, um einen künstlichen See unterhalb der dicht bewaldeten Hänge des Monte Pettinascura anzulegen, mit 1700 Metern einer der höchsten Gipfel im Sila-Gebirge und einer der abgelegensten. Zens erster Schritt bestand darin, einen der Digos-Männer in Wanderkleidung zu dieser Stelle zu schicken. Er sollte von einem Kollegen dort abgesetzt werden, als wäre er per Anhalter gefahren. An der eigentlichen Operation würde er nicht beteiligt sein, sondern seine Aufgabe bestand darin, auf einen der Hänge über dem Lago di Cecita zu steigen, zu beobachten, ob sich dort irgendetwas tat, und per Funk Meldung zu erstatten. Es war durchaus denkbar, dass Giorgio sich entschloss, früher dorthin zu fahren und sich zu verstecken, bis Mantega kam, oder dass er einen seiner Komplizen dorthin beordert hatte, um nach irgendwelchen verdächtigen Bewegungen in dieser abgelegenen Gegend Ausschau zu halten und seinen Boss, wenn nötig, zu warnen.
Der Fahrzeugkonvoi, der Mantegas Alfa in die Zange nehmen würde, war gegen sechs Uhr um die Via
Weitere Kostenlose Bücher