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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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unattraktiven modernen Vororte der Stadt. Tom fragte mehrmals, wo sie denn hinfahren würden, doch der Polizist ignorierte ihn entweder oder schüttelte einfach verächtlich den Kopf, auf diese absolut endgültige kalabrische Art, die keinen Widerspruch duldete.
    Sie parkten vor einem wenig ansprechenden Gebäude aus den siebziger oder achtziger Jahren und blieben noch mindestens fünf Minuten im Auto sitzen, derweil Toms Begleiter gründlich beobachtete, was sich auf der Straße abspielte. Als er endlich zufrieden war, stieg er aus, riss Toms Tür auf und scheuchte ihn ins Haus wie der Aufpasser eines Filmstars, der die Paparazzi abzuhängen versucht. Was sie dann allerdings betraten, war kein luxuriöser Nachtclub und keine glanzvolle Preisverleihungszeremonie, sondern ein schmuddeliger Hausflur, der schlecht beleuchtet und schlecht gestrichen war und sehr schlecht roch. Die Nerven des Polizisten wurden eine weitere Minute strapaziert, während der Aufzug lethargisch ins Erdgeschoss gerumpelt kam und sie dann ebenso lethargisch auf die siebte Etage beförderte. Als sein Begleiter schließlich eine der Türen oben auf dem Gang aufschloss, hatte Toms Verletzung ziemlich stark zu schmerzen begonnen.
    Hinter der Tür war ein schmaler Gang voller Jacken, Mäntel, Bücher und Schirme. Der Polizist blickte in eins der Zimmer auf der linken Seite und bedeutete Tom mit einer zackigen Geste, er möge eintreten. Es war fast eine Kopie des Krankenhauszimmmers, das er gerade verlassen hatte, nur staubiger und mit vielen Kartons auf dem Fußboden, die mit Aktenordnern und sonstigen Papieren gefüllt waren. Die einzige Dekoration war eine große rechteckige Fotografie von uniformierten Männern und Frauen, die sich der Größe nach in drei ordentlichen Reihen aufgestellt hatten. Sah nach irgendeiner Abschlussfeier aus. Er musste einige Kartons zur Seite schieben, um ans Bett zu kommen. In einem davon bemerkte er oben auf einem Stapel von Dokumenten die Urkunde einer Polizeiakademie, die bestätigte, dass Mirella Kodra den Kurs im Gebrauch von Schusswaffen, an dem sie vor zwei Jahren teilgenommen hatte, mit Auszeichnung abgeschlossen hatte.
    Also musste das hier das Gästezimmer ihrer Wohnung sein. Keine unverheiratete Kalabrierin würde auch nur im Traum auf die Idee kommen, jemanden wissen zu lassen, dass sie einen Mann bei sich zu Hause hatte übernachten lassen. Das bedeutete, dass Tom für Mirella nicht unter die Kategorie Mann fiel. Er war ein Problem, eine Aufgabe, ein Päckchen, das herumgereicht werden musste wie bei diesem Kinderspiel. Er war kein Gast, noch viel weniger ein potenzieller Liebhaber, er war bloß ein Heimatloser, der notgedrungen irgendwo untergebracht und versorgt werden musste, bis er fit genug war, um allen den Gefallen zu tun, sich wieder dorthin zu verpissen, wo er hergekommen war. Er ließ sich auf das Bett plumpsen und fühlte sich absolut einsam, erschöpft und traurig. Was für ein Narr war er doch gewesen mit seiner großartigen Idee, zu seinen kalabrischen Wurzeln zurückzukehren und una vera trattoria americana autentica zu eröffnen! Das Problem bestand nicht so sehr in dem, was er nicht wusste. Das könnte er mit der Zeit schon lernen. Es war eher das, was er wusste und niemals vergessen würde, Dinge, die hier unpassend waren, Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Ideen, die als fremdartig galten, manchmal sogar beleidigend waren. Aber wie sollte er so tun, als wüsste er diese Dinge nicht? Wie konnte man je etwas wieder ungewusst machen? Er schluckte zwei von den Kapseln, die man ihm gegeben hatte - ohne Wasser, um seinen widerlichen Aufpasser nicht darum bitten zu müssen -, dann legte er sich ächzend vor Schmerzen wieder hin, zog die Knie an, bis er in der Fötusstellung lag, und schlief ein.
    Er wurde von Stimmen geweckt, die er nicht erkannte und auch nicht verstand, ein Mann und eine Frau, die sich möglicherweise stritten. Im Zimmer war es vollkommen dunkel. Schließlich verstummten die Stimmen, und irgendwo knallte eine Tür. Eine Zeitlang waren leise Schritte zu hören, dann ging die Tür von seinem Zimmer auf, und eine Gestalt stand als Silhouette im erleuchteten Türrahmen. Mirella.
    »Wie geht es dir?«
    »Mir geht es gut. Und weißt du, warum? Weil ich kurz vor der Heimreise stehe. Homeward bound, wie man bei uns sagt. Kennst du das Lied?«
    »Du hast mir neulich abends erzählt, das hier wäre deine Heimat.«
    »Ich wurde falsch informiert.«
    »Nicht von mir.«
    Tom veränderte

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