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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Gastfreundschaft zu lange in Anspruch nehmen. Sie meinen, sie gehören hier zur Familie, aber im Grunde sind sie auch nur Touristen. Chine cangia a via vecchia ppe’la nova, trivuli lassa e malanova trova .«
    »Was heißt das?«
    »Siehst du? Du verstehst noch nicht mal die Sprache! Es bedeutet, wenn man seine Lebensgewohnheiten ändert, wird man einige kleinere Probleme los und schafft neue und größere. Man muss hier geboren und aufgewachsen sein, um Kalabrier zu sein, aber diese Rückkehrer meinen, sie hätten den Titel geerbt wie früher einen Baronstitel oder so. Ein Freund meines Vaters, der viele Jahre im Ausland gelebt hat, hat gesagt, dass Amerika den Körper nährt, aber die Seele auffrisst. Vielleicht frisst es einem auch das Gehirn weg.«
    Sie gab grob in Stücke geschnittene, krumm gewachsene Tomaten zu den auf kleiner Flamme schmorenden Zwiebeln.
    »Und du hast mir vorgeworfen, ich wäre kalt.«
    »Ich bin einfach nur realistisch. Ihr Amerikaner seid Idealisten, und wenn die Realität nicht euren Erwartungen entspricht, werdet ihr brutal. Ihr habt euer eigenes Land erfunden und glaubt, das gibt euch das Recht, alle anderen Länder ebenfalls neu zu erfinden, selbst wenn ihr nichts über deren Geschichte und Traditionen wisst. Wozu auch? Geschichte und Traditionen sind der Trost armer Leute. Reiche Leute wie du brauchen so etwas nicht.«
    Sie wandte sich vom Herd ab und fing an, den Tisch zu decken.
    »Entschuldige. Ich habe dich zu mir eingeladen, und nun beleidige ich dich und dein Land. Das ist furchtbar unhöflich. Ich weiß nicht, was heute Abend mit mir los ist.«
    »Das macht nichts. Red einfach weiter. Ich höre gern deiner Stimme zu.«
    Sie sah ihn durchdringend an. »Verlieb dich bloß nicht in mich, hörst du.«
    »Warum nicht?«
    »Weil du bald nach Hause fährst, Tommaso.«
    »Ich bin zu Hause.«
    »Fang nicht schon wieder damit an! Das ist bloß Exilantensentimentalität, und Sentimentalitäten haben hier keine Bedeutung. Was hier zählt, ist Macht. Sex vielleicht auch. Schwangerschaft und Heirat ganz bestimmt, weil diese Dinge Konsequenzen haben. Aber bild dir bloß nicht ein, dass irgendwer sich auch nur einen Dreck um deine Gefühle schert. Oder um meine. Die Nudeln sind fertig, lass uns essen.«
    Sie aßen fast völlig wortlos. Tom war überglücklich und total niedergeschlagen zugleich. So hatte ihn noch nie in seinem Leben jemand heruntergeputzt. Mirella sagte nichts mehr, und er fürchtete, dass sich alles, was er sagen könnte, dumm anhören würde. Doch er konnte seinen Blick nicht von ihr losreißen. Plötzlich erinnerte er sich an etwas, das ihm durch den Schock über die Ereignisse in der Gasse entfallen war. Als sie seinen Angreifer mit den Füßen kampfunfähig machte, hatte sie die Arme hochgerissen, um das Gleichgewicht zu halten, und in dem Moment hatte er die Haarbüschel unter ihren Armen gesehen und bemerkt, dass sie gar keine Brünette war, sondern eine Rothaarige, die sich die Haare färbte, um auf der Straße nicht aufzufallen. Eine rothaarige Albanerin. Es würde sicher nicht leicht sein, doch er konnte den Blick nicht von ihr losreißen, konnte kaum erwarten, dass sie wieder mit ihm sprach, hätte am liebsten den Schweiß aus diesen Haaren gesaugt, die zarte Höhle darunter ausgeleckt und den süßen, wilden Geruch ihrer Haut eingeatmet.
    Nach dem Essen wies Mirella Toms Angebot, beim Abwasch zu helfen, brüsk zurück. »Das ist Frauenarbeit. Geh und leg dich wieder hin. Du musst dich ausruhen.«
    »Du auch.«
    »Es geht schneller, wenn ich es allein mache. Anschließend werde ich fernsehen. Und später komm ich und seh nach deinem Verband.«
    »Bist du auch noch Ärztin?«
    »Nein, aber ich habe sehr gute Erste-Hilfe-Kenntnisse. Wir müssen eine Grundausbildung machen und dann jedes Jahr Auffrischungskurse. Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue, und es wird nicht wehtun.« Sie stapelte die Teller und Schüsseln aufeinander und stellte sie ins Spülbecken. »Und dann, wenn du nicht zu müde bist, könnten wir ein bisschen bumsen.«
    Lautes Scheppern und Knallen von Töpfen und Pfannen.
    »Ich weiß nicht, ob ich mich viel bewegen kann«, sagte Tom.
    »Das macht nichts, uns fällt schon was ein. Dann kannst du besser einschlafen.«
    »Und du?«
    »Ich mach manchmal ganz gern ein bisschen rum, und Gelegenheit zu unverbindlichem Sex gibt’s in Kalabrien nur selten. Und da du hier übernachtest, werden im Übrigen eh alle glauben, wir hätten’s gemacht,

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