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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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seine Position im Bett. Diese Schmerztabletten machten einen ganz matschig im Kopf. Nachdem sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, konnte er gerade so Mirellas Gesicht erkennen.
    »Und wie geht es Ihnen, signorina ?«, fragte er schroff und siezte sie bewusst.
    »Ich bin müde. Es ist ein Großeinsatz im Gange. Die hoffen, dass sie den Mann verhaften können, der deinen Vater getötet hat. Sie brauchten Hilfe bei den Vorbereitungen, wollen mich aber nicht dabeihaben, wenn es passiert. Deshalb komme ich so spät. Im entscheidenden Moment sind meistens nur die Jungs gefragt. Das macht einen nach einer Weile ganz schön mürbe.«
    Schweigen.
    »Warum siezt du mich plötzlich?«, fragte sie schließlich.
    »Ich will bloß höflich sein. Ich weiß fast nichts über Sie, und was ich zu wissen geglaubt habe, hat sich größtenteils als falsch herausgestellt. Sie haben mir erzählt, sie würden als Bürokraft und Telefonistin bei der Regionalregierung arbeiten, aber anscheinend arbeiten Sie bei der Polizei.«
    Mirella seufzte. »Das tut mir leid, Tommaso.«
    Er antwortete nicht.
    »Ich mach uns was zu essen«, sagte sie.
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Du musst was essen.«
    »Lassen Sie’s! Ich nehme keine Almosen von irgendeiner Suppenküche an, die Immigranten wie mich vor dem Verhungern bewahren soll, damit ihr ein gutes Gewissen habt.«
    Mirellas dunkle Silhouette im Türrahmen wandte sich wieder um. »Ich bin auch eine Immigrantin.«
    »Na klar.«
    »Es ist wahr. Ich bin eine arbëreshe . Als die Türken vor fünfhundert Jahren unser Land eroberten und unsere Städte niederbrannten, sind meine Vorfahren aus Albanien in eine Stadt ein Stück nördlich von hier ausgewandert, nach San Demetrio Corone. Sh ë n Mit ë r in unserer Sprache.«
    »Wenn Sie das sagen, signorina «, antwortete Tom kühl.
    Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte sie sich über ihn gebeugt und brüllte ihn wütend an. »Weißt du, das hier würd ich nicht für jeden tun! Man hätte dich auch in die Männerkaserne sperren können, mit einem Rollbett und Essen aus der Kantine. Ich habe dich aus reiner Freundlichkeit zu mir eingeladen, und du behandelst mich so verächtlich, als hättest du’s mit einer Nutte zu tun!«
    Ihr Zorn überraschte ihn. »Ich war noch nie bei einer Nutte« war alles, was er schließlich herausbrachte.
    »Du bist unmöglich!«, schrie sie, stürmte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
    Das Klappern und Scheppern von Töpfen war zu hören, Wasserrauschen, das Knistern einer Plastiktüte. Trotz der Schmerzen stand Tom auf. Er sollte mobil bleiben, hatte der Arzt ihm gesagt. Sich nicht beugen oder strecken, nichts heben, aber sich so viel wie möglich bewegen. Ganz normal bewegen. Er ging in die Küche. Mirella war nicht da. Er lehnte sich gegen den Türpfosten und horchte auf die Botschaften, die sein Körper ihm sandte. Die ersten vierundzwanzig Stunden sind die schlimmsten, hatte der Arzt gesagt. Freude ist eine flüchtige Illusion, doch der Schmerz enttäuscht einen nie. Der ist echt. Auf den Schmerz kann man sich immer verlassen.
    »Entschuldigung.«
    Mirella huschte an ihm vorbei. Sie hatte sich geduscht und umgezogen und trug jetzt eine schwarze Hose mit einer adretten weißen Bluse.
    »Was kochst du?«
    »Eine Pastasauce. Ich hab außerdem ein Brathähnchen und Salat gekauft.«
    »Hört sich toll an.«
    »Nein, aber man wird satt davon. Meine Mutter ist eine fantastische Köchin. Ich komme eher nach meinem Vater.«
    Er beobachtete, wie ihre Finger auf dem Hackbrett aus Holz arbeiteten, wie sich der weiße Saft der Zwiebel immer weiter ausbreitete.
    »Italoamerikaner geben immer damit an, was für eine tolle Pastasauce ihre Mutter macht.«
    »Dann ist es gut, dass du bald nach Hause fährst. Dort drüben kannst du deinen Traum von Italien ausleben. Hier müssen wir mit der Realität leben. Mein Vater würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass du hier übernachtest. Aber dass deine Arbeitgeber dich in dem Businessjet mit zurücknehmen, kannst du dir abschminken. Einer ist tot, der andere ist aus dem Land geflüchtet.«
    »Was? Wie?«
    Sie ließ die Nudeln in das kochende Wasser gleiten. »Die haben aus einem Hubschrauber eine Kiste ins Meer geworfen, und irgendwas ist dabei schiefgegangen. Aber mach dir nichts draus, es gibt genügend kommerzielle Flüge von Rom aus. Geh! Verschwinde! Leute, die zurückkehren, passen hier nicht hin. Sie sind eine Peinlichkeit, wie Gäste, die die

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