Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin

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viel zu speziell für seinen Game Controller war, ein dämlicher Klotz mit einer Schnur und zwei Knöpfen und einem D-pad, das noch von den 8-Bit-Nintendo-Spielen aus den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts stammte. Er wurde hier getötet! Das war kein Spiel, das war ein beschissener Comic. Looney Tunes mit Bugs Bunny Teil zwei. Mehr nicht, Leute.
    »Ich wecke Sie ja nur ungern, aber wir haben noch ungefähr eine Stunde Flugzeit. Wie wär’s mit einem Muntermacher?«
    Jake drehte sich im Bett um und versuchte, das Babe klarer zu sehen, das ihn da an der Schulter schüttelte. Sie war absolut nicht Madrona, aber irgendwann hatte er sie deutlich im Bild.
    »Gern.«
    »Kaffee, Tee oder mich?«
    Huch?, dachte Jake, doch dann sah er den Ausdruck in ihrem Gesicht und merkte, dass sie genau das getan hatte, was die Kids heute so gern machten und was ihm Kopfschmerzen bereitete. Man sagte eine Sache, meinte aber was ganz anderes, Irosowieso.
    »Ich nehm einen Diet Rockstar und ein paar Rap Snacks YoungBloodz Southern Crunk BBQ.«
    »Möchten Sie Eis dazu?«
    Er stieg aus dem Bett und blickte aus dem Fenster. Berge, Felder, Flüsse, Straßen und Städte, wie bei Google Earth. Irgendein unbedeutender Staat, der nur zum Überfliegen da war. Er schaltete ESPN an und sah jede Menge Werbung. Schwarze Typen, die große Bälle in Körbe ablegten, weiße Typen, die ovale Bälle warfen, braune Typen, die weiße Bälle schlugen, alles ganz sexy in Zeitlupe. Ballspiele, mit denen Designersportkleidung und Rassenvielfalt gefeiert wurden. Cool. Er nuckelte an seinem Energy-Drink und spielte ein bisschen im Netz rum, bis er diese Seite mit der Weltkarte fand, auf der ein dunkler Bereich - ein bisschen wie ein riesiger Pimmel - die Gebiete anzeigte, wo jetzt Nacht war. Im Moment war Madrona in der Lichtzone, doch der Rand der Dunkelheit kroch unaufhaltsam auf sie zu. Das Bild aktualisierte sich automatisch jede Minute, also konnte man einfach nur dasitzen und beobachten, wie sich die Schattenlinie ruckartig immer ein winziges Stück vorwärtsbewegte, während die Sonne langsam im Westen unterging. Man lernt doch jeden Tag etwas Neues, dachte Jake. So war ihm nie klar gewesen, dass sich die Sonne um die Erde drehte, obwohl es irgendwie offensichtlich war, wenn man mal darüber nachdachte.
    Dann rief Madrona an.
    »Yo.«
    »Wo bist du, Honey?«
    »Keine Ahnung. Ich bin irgendwie in einer Stunde da?«
    »Wie schade. Ich hab um vier ein Bikini-Waxing, sonst hätte ich dich abgeholt.«
    »Eeeh.«
    »Alles okay, Honey?«
    »Ich hatte diesen irren Traum? Hat mich irgendwie ganz fertiggemacht.«
    »Echt? Kennst du Crystl?«
    »Absolut kenn ich die.«
    »Sie ist fantastisch mit Träumen. Sie hat einen ganzen Haufen von meinen Träumen mit mir durchgesprochen und mir gezeigt, wie sie die Zukunft vorhersagen und so Zeug.«
    »Und die Filmkiste ist geplatzt.«
    »Du meinst, Apocalypse! kommt nicht?«
    »Noch nicht so bald.«
    »Wieso?«
    »So ist das halt beim Spiel.« Er stieß ein bellendes Lachen aus. »Cool, Babe. Das ist nicht das Ende der Welt. Das Leben ist schön!«

61
    Entlegene Bahnhöfe haben in den langen Pausen zwischen der Ankunft und der Abfahrt von Zügen einen ganz besonderen Hauch von Melancholie an sich. Und wenn dieser Bahnhof eine vor zehn Jahren errichtete modernistische Monstrosität von einer Größenordnung ist, wie sie einer Provinzhauptstadt wie Cosenza entspricht, kann dieser Hauch beinahe unerträglich intensiv werden.
    Der Bahnsteig erstreckte sich endlos wie ein öder Strand am Ende der Welt. Gegenüber standen auf einem grandiosen Diagramm von Abstellgleisen einige verrostete Waggons, die nicht mehr gebraucht wurden, und warteten auf den Schrotthändler. Die Bahnhofsuhr zeigte präzise die kleinen Abschnitte einer Zeit an, die nirgendwo sonst auf der Welt eine Bedeutung hatte. In dem riesigen Vestibül hinter ihm brüllten sich drei uniformierte Angestellte quer durch den stark widerhallenden Raum Beschimpfungen zu, mit der Dreistigkeit von Leuten, die genau wissen, dass unter dem statale- System »Ihr tut so, als ob ihr arbeitet, und wir tun so, als ob wir euch bezahlen« ihre Jobs nicht nur unkündbar waren, sondern ihnen auch genügend Zeit ließen, nebenbei auf dem Schwarzmarkt ordentlich Geld zu verdienen.
    Wie mein Job, dachte Zen. Italien war tatsächlich ein unerklärlich gesegnetes bel paese , so wie manche Leute einfach vom Schicksal begünstigt zu sein schienen. Alles ging ständig schief, aber