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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Anschlag Gas geben, und das würden die bestimmt hören. Ich würde sagen, wir gehen zu Fuß weiter und hoffen, dass es nicht mehr allzu weit ist.«
    Zen war bewusst, dass das ein Versuch war, den Entscheidungsfindungsprozess zu demokratisieren, doch er hatte dem Vorschlag des Mannes nichts entgegenzusetzen.
    »Andiamo!« , s agte er mit entschiedener Stimme.
    Der Regen hatte vorübergehend ein wenig nachgelassen, doch das war kaum ein Trost, sobald man das Fahrzeug verlassen hatte. Einer der Digos-Männer zog eine Taschenlampe mit einem Aufsatz hervor, deren schmaler Strahl die einzige Orientierung in der Dunkelheit war, und die übrigen drei folgten ihm den Pfad hinauf, der jetzt praktisch ein Flussbett war. Zen merkte rasch, dass er zurückfiel, und blieb schließlich stehen. Die anderen waren verschwunden, und er stand allein in der Dunkelheit. Außerdem war er in seiner Bürokleidung und den Schuhen mit den glatten Ledersohlen, die bereits völlig durchnässt waren, vollkommen lächerlich angezogen für eine solche Aktion. Er fand seinen Schlüsselring und schaltete die helle kleine Stiftlampe an, die daran befestigt war. Die Bäume zu beiden Seiten wirkten riesig, ihre Stämme hatten einen Umfang von mindestens zwanzig Metern, die letzten Überreste des Urwalds, der hunderttausende von Jahren die ganze Gegend bedeckt hatte. Hier gab es immer noch Wildkatzen, hatte er gehört, und Wölfe.
    Ein bisschen so wie der Mann, der auf den Namen Pietro Ottavio Calopezzati getauft worden war, begann Zen den furchtbar steilen und stark gefurchten Pfad hinaufzusteigen und kam angesichts der Umstände ganz gut voran, als plötzlich ein Blitz von unglaublicher Helligkeit die gesamte Landschaft um ihn herum auf seine Netzhaut brannte und der Himmel kreischte und stampfte wie ein Tier, dem man bei lebendigem Leib den Bauch aufschlitzt. Eine Sekunde später ging erneut ein Wolkenbruch nieder, diesmal in Form von Hagelkörnern, die Löcher in den flüssigen Schlamm schlugen. Zen fing an zu rennen, rutschte auf einem Stück nackten Felsen aus, schlitterte über so etwas wie eine Klippe und landete auf einem steilen Abhang, den er immer weiter hinunterrollte, bis er am Stamm eines dieser riesigen Bäume liegen blieb. Der Hagel prasselte weiter mit ohrenbetäubendem Krach auf das Laubwerk um ihn herum, doch wo Zen lag, war der Boden mit einer dicken Schicht Kiefernnadeln bedeckt, die trocken blieben. Schließlich hörte er aus der Ferne Schüsse - erst einen, dann zwei fast gleichzeitig - und raffte sich auf, stolperte jedoch sogleich über ein Gewirr von Wurzeln. Sein Schlüsselring flog ihm aus der Hand und damit auch die Minitaschenlampe. Um ihn herum herrschte völlige Finsternis, bis auf die zahllosen funkelnden Sterne über ihm, jeder hart, klar umrissen und präzise leuchtend; seine Nase dagegen war erfüllt von uralten Gerüchen, durchdringend und fremd, wohltuend und vertraut.

60
    Jake träumte, er würde fliegen. Zuerst war es irre, die Landschaft scrollte immer weiter wie bei Google Earth, Berge, Felder, Flüsse, Straßen und Städte. Irgendein unbedeutender Staat, der nur zum Überfliegen da war. Er hätte gern irgendwas zerstört, wurde aber nicht schlau daraus, was für ein Spiel das war, wer die Bösen waren oder wie überhaupt das Grundszenario aussah. Nur eines wusste er sicher: dass er während einer früheren Stufe in der leuchtenden Stadt auf dem Hügel in das Spiel eingestiegen war. Das bedeutete, dass sein Spielstatus außergewöhnlich war und er unbegrenzte Macht hatte, was irgendwie cool war, nur dass er keine Ahnung hatte, was er damit anfangen sollte.
    Vielleicht hatte diese Ahnungslosigkeit das ausgelöst, was als Nächstes passierte, wie in diesen Träumen, in denen alles schiefgeht, weil es einfach passiert, ohne jeden Grund. Da war dieser Sarg auf dem Fußboden, und er versuchte, ihn durch die offene Tür des Flugzeugs zu schieben, bloß dass das Ding superschwer war und sich nicht rührte, bis sich die Rollen plötzlich zu drehen begannen und er mitsamt dem Sarg aus der Tür flog, sich in langsamen Drehungen auf das Meer unter ihm zubewegte, dann hineinfiel und immer noch stürzte. Schließlich landete er in einer Art Wüste mit tiefen Rissen im Boden, und Unmengen von diesen Riesenspinnen, bloß dass sie mehr wie Kakerlaken aussahen, kamen auf ihn zugelaufen und wurden immer mehr und mehr. Das war ein klassisches Run-and-Gun-Egoshooter-Deathmatch mit willkürlichen Portalen, nur dass die Software

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