Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
von Neapel. Mit dem Aufenthalt beim Umsteigen hätte der Flug vier Stunden in Anspruch genommen. Nachdem dieser Crashkurs im Extremfahren den Reiz des Neuen verloren hatte, machte sich Martin an seinem Leihhandy zu schaffen. Okay, jetzt war er also im Ausland. Er wusste, wie man sich da zu verhalten hatte. Einer agiert, und einer wird aufs Kreuz gelegt, so war das überall. Martins Handy besaß sogar Bluetooth, er war also gewappnet und zu allem bereit. Der erste Anruf galt dem US-Konsulat. Dort war man genauso hilfsbereit wie bei seinen bisherigen Anfragen, aber offenbar gab es über den Fall Newman nichts Neues zu berichten.
»Der zuständige Beamte heißt Aurelio Zen«, informierte der Konsulatsangehörige Martin. »Lassen Sie mich das buchstabieren. Yeah, für Sie sieht das vermutlich wie ›oh-rieli-oh‹ aus, aber hier spricht man das ›au-räli-oh‹. Jedenfalls würde ich vorschlagen, dass Sie sich morgen mit ihm in Verbindung setzen, und sei es nur der Form halber. Das würde die Sache sicher erleichtern. Haben Sie einen Dolmetscher? Ich kann Ihnen einen besorgen, wenn Sie möchten.«
»Einen Amerikaner?«
Der Konsulatsbeamte zögerte. »Ich wüsste tatsächlich jemanden, doch sie macht gerade Urlaub. Aber ich habe eine ganze Liste von Italienern, die besser Englisch sprechen als die meisten Amerikaner. Hey, sollte ein Scherz sein! Alles Studenten, die sind froh, wenn sie sich was verdienen können.«
Kann ich mir gut vorstellen, dachte Martin. Studenten wären billig, aber man konnte nie wissen, wer ihnen noch ein bisschen mehr bot, damit sie Informationen aus den Gesprächen weitergaben, bei denen sie dabei gewesen waren. Man konnte Italienern trauen, wenn’s ums Autofahren ging, doch viel von dem, was Martin zu besprechen hatte, fiel unter die Rubrik äußerst heikel bis streng vertraulich. Wenn irgendetwas darüber durchsickerte, was Rapture Works tatsächlich in Kalabrien vorhatte, wäre das ganze Projekt in null Komma nichts im Eimer und damit auch Martins Job.
»Danke, ich werd darüber nachdenken.«
»Die andere Sache ist Newmans Sohn Thomas. Ihn möchten Sie doch sicherlich auch kennen lernen. Er wohnt in einem Hotel im Zentrum. Ich gebe Ihnen die Nummer.«
Die wählte Martin als Nächstes. Der Angestellte an der Rezeption stellte ihn ins Zimmer durch, wo das Telefon klingelte und klingelte. Martin wollte schon auflegen, da meldete sich eine verschlafene Stimme.
»Pronto . «
Martin fragte sich, ob er im falschen Film gelandet war.
»Geben Sie mir Tom Newman«, erklärte er knapp.
»Am Apparat.«
»Oh, hi, Tom. Mein Name ist Martin. Ich bin ein Geschäftspartner deines Vaters. In der Firma sind wir alle schockiert darüber, was passiert ist, deshalb hat man mich aus den Staaten hierhergeschickt, um zu sehen, ob wir vor Ort ein wenig helfen können. Ich bin gerade auf dem Weg nach Cosenza. Ich weiß nicht, ob du heute Abend schon was vorhast, aber es wäre schön, wenn wir uns irgendwo treffen könnten.« Martin lachte verlegen. »Ich bin sozusagen der Neue hier, deshalb wär’s echt’ne Hilfe, jemanden zu haben, der mir die Hintergründe erklärt und mich auf den neuesten Stand bringt. Das heißt, wenn du heute Abend frei bist.«
»Frei wie ein Vogel«, erwiderte die Stimme tonlos.
»Wie wär’s mit einem Abendessen? Ich bin zwar in einem anderen Hotel, könnte aber gegen sechs bei dir vorbeikommen. Kennst du was, wo man gut essen kann?«
»Klar, aber vor acht läuft da nicht viel.«
»Tatsächlich?«
»Woanders auch nicht.«
»So spät? Wow, das ist aber wirklich fremdartig. Nun ja, andere Länder, andere Sitten! Okay, wie wär’s mit Viertel vor acht? War schön, mit dir zu reden, Tom.«
Für den nächsten Anruf, der an Phil Larson ging, zog Martin ein etwas anderes Register.
»Nguyen. Ich bin in zwei Stunden da. Irgendwas Neues?«
»Bisher nicht.«
»Irgendwelche neuen Ideen, wie man die Suche einengen kann?«
»Nicht bevor mir jemand die Variablen in der Gleichung festlegt, Mr Nguyen.«
»Da hab ich ein Team drangesetzt. Die werden mir ihre Schlussfolgerungen heute gegen Mitternacht Ortszeit per E-Mail schicken. Wann fangen Sie an zu arbeiten?«
»Um halb sechs sind wir auf dem Gelände und gegen sechs in der Luft.«
»Seien Sie morgen schon um fünf da. Ich hab was mit Ihnen zu besprechen.«
Der nächste Anruf war der, vor dem Martin schon die ganze Zeit graute, doch er musste gemacht werden. Nachdem er sich durch einen Sicherheitskordon von Abwimmlern
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